Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 98 ---> guckst du hier
Zu Gretes Bericht von heute würde das Lieschen am liebsten
gar nichts sagen. Ist ja kein leichtes Thema, das die Grete da durch ihr
Erlebnis aufwirft. Oder geht es nicht nur um die Ächtung von Hundebesitzern,
die ihre Mitmenschen mit deren Exkrementen quälen? „Mal sehen“, denkt die Liese und startet das
Nachdenken.
Lieschen war ja selbst Hundebesitzerin, oder richtiger formuliert:
Lieschen und Hermann wurden viele Jahre lang von Hunden besessen. Lieschen hat
keine Kinder und Lieschen mag Städte weder für Kinder noch für Haustiere. Asphalt!
Überall Asphalt! An Kindern und Tieren sieht man, wie schwer und unnatürlich
ein Leben in der Stadt ist, denkt sie und korrigiert sich gleich selbst, indem
ihr die Parks und Spielplätze einfallen, die ja zum Ausgleich erfunden wurden.
Rasenflächen gibt es ja auch. Manche darf man sogar betreten.
Luis kann ja froh
sein, dass seine Mutter mit ihm auf den Spielplatz geht und dass sie ihm
erlaubt in Pfützen zu spielen ist ja ne Wucht. Lieschen ist direkt ein bisschen
gerührt über die gute Frau Heber und hätte ihr mehr Glück gewünscht. Hundescheiße
am Kind ist ja eine unangenehme Sache. Erst Recht in einer Etagenwohnung. Erleichternd
wäre in solch einem Fall ein Wasserschlauch auf dem Hof oder im Garten. Aber in
Städten ist das ja nicht die Regel.
Hunde in Städten haben es aber auch nicht leicht. Natürlich
wäre besser, sie müssten so nicht leben, meint die Liese, denkt aber an manchen
alten Menschen in ihrer Umgebung, der als „einzige Bezugsperson“ seinen Hund
hat. Bei manchen machen die Beine auch nicht mehr so mit und das Bücken ist
auch nicht mehr leicht. Würden diese Menschen ohne ihre Hunde noch an die
frische Luft gehen? Was würde aus ihnen? Wer kümmerte sich? Und selbst, wenn sie noch besser zu Fuß sind, die
Hundebesitzer. Wo sollen sie hin mit ihren Hunden? Gibt es denn, so wie für
Kinder, extra Plätze für Hunde? Oder darf man so etwas gar nicht als Frage in
den Raum stellen?
Zusammenleben ist nicht einfach. Nirgendwo. Nicht in
Städten. Nicht auf dem Land und nicht im Wald. Lieschen hat es, damals im
spanischen Wald, geliebt, mit den Hunden ohne Leine durch die Natur „zu toben“.
Lieschen liebt ja ihre Freiheit, die der anderen und die der Tiere auch. Das
ist auch viele Monate gut gegangen. Glückliches Lieschen und glückliche Hunde, ganz
natürlich. Aber Hermann, Lieschen und die Hunde hatten einen Nachbarn.
Eigentlich war sein Haus weit weg. Bestimmt 500 Meter. Aber dessen Haus war
kein einfaches Wohnhaus, sondern ein Bauernhof „wie er im Buche steht“. In
alten Büchern. Kein Strom, Felder und viele Tiere. Unter anderem jede Menge
Hühner und mehr als 100 Schafe. Und der Bauer liebte auch die Freiheit. Seine
und die der Hühner. Die seiner Hunde nicht. Die lebten in Zwingern und waren
nur für die Jagd. Die liebte das Lieschen nicht. Nicht selten lärmte
aufkommendes Schrot auf dem friedlichen Hermann/Lieschengrundstück. Aber das
hatte keine Bedeutung, denn Jagen war zu bestimmten Zeiten erlaubt.
Schafe auf
andere Weiden treiben auch. Das mochten der Hermann und die Liese. Wenn die
Schafe mitten über ihr Grundstück marschierten, hielt die Liese die Hunde fest
und freute sich über den Anblick. Vorne der Bauer mit dem „Schäfer“hund, der
auch besser behandelt wurde als die anderen und am Ende der langen Reihe Schafe
die alte Bäuerin. Über achzig Jahre alt, gebeugt und schnell. Sie ist bereits
in diesem Waldhof geboren und sollte dort auch sterben. Ein wunderbares Bild,
das dem Lieschen stets wie pures Leben erschien und ihr den Tag versüßte.
Aber zurück zu den Hunden, deren Freiheit die Liese liebte
und den Hühnern, deren Freiheit der Bauer liebte. Um es kurz zu sagen: Hühner
sind nicht in jedem Fall schneller als Hunde. Ergebnis: Hunde reißen Hühner. Jedenfalls dann, wenn beide frei sind. Der Bauer hat die Hunde erwischt, darauf verzichtet, sie zu erschießen, was die übliche Vorgehensweise in einem
solchen Fall gewesen wäre und stattdessen Gottseidank den Hermann und das
Lieschen informiert. Noch am gleichen Tag haben die beiden begonnen ein
riesiges Gatter für die Hunde zu bauen. Besser ist besser haben sie sich
gesagt. Die Hunde haben sich an die Leinen gewöhnt und die restlichen und
kommenden Hühner vermutlich überlebt.
Warum der Liese die Geschichte einfiel? Vielleicht weil sie
untermauern soll, dass Zusammenleben auch in solch großer Distanz Kompromisse
erfordert und mit Macht und Ohnmacht zu tun hat. Manches regeln geltende
Gesetze und manches nicht.
Hermann, der den Hund in den letzten Jahren in der Stadt am
häufigsten ausführte, könnte ein Lied von Radfahrern am Rande des Flüsschens singen,
die nicht klingeln, aber rasen und so Mensch und Tier fast zu Tode erschrecken. Und von noch Vielem mehr. Gottseidank
war die Stadtphase für den kleinen Hund die kürzeste seines Lebens.
Lieschen mag lebendiges Zusammenleben. Auch mit Nachbarn. Auch
mit Kindern. Auch mit Tieren. Auch wenn es manchmal nicht so einfach ist. Es verlangt halt von allen irgendetwas.
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