Dienstag, 29. Oktober 2013

Das Lieschen, die Fremdbestimmung und so manche Überlegung

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 80  ---> guckst du hier 

Lieschen ist froh, dass sich die meisten Uhren heutzutage automatisch umstellen. Wie von Geisterhand. Einfach so. Irgendein Computer, dem irgendwer gesagt hat, dass er einmal im Jahr mitten in der Nacht aus einer DREI eine ZWEI machen soll und später dann umgekehrt. Einfach so. Ferngesteuert ist der Computer. Ferngesteuert sind die vielen Uhren, die unsichtbar mit diesem Computer verbunden sind und auch der Mensch ist ferngesteuert. Nur dadurch?

Lieschen denkt über Gretes ZeitumstellungsundseineFolgenbericht nach. Die Grete schreibt, dass sie immer sieben Stunden schläft. Automatisch. Innere Uhr nennt sie das. Ist es das? Lieschen denkt, es könnte auch einfach eine Gewohnheit sein. Etwas, dass durch ständige Wiederholung entstanden ist.

Wie mag das überhaupt gekommen sein, dass Menschen aufgehört haben, ihr Leben am Stand der Sonne und den Erfordernissen des alltäglichen Lebens auszurichten? Wann wurde die Sonnenuhr ersetzt? Ob es eine einzelne Person war, die eines Tages gesagt hat „Hey Leute. So ein Blick an den Himmel wegen des Sonnenstandes ist veraltet. Ihr interpretiert das ja alle wie ihr wollt. So geht das nicht weiter. Damit wir uns klar und verbindlich verabreden können, müssen objektive Zahlen her. Ihr bekommt jetzt alle Uhren und nach denen habt ihr euch ab sofort zu richten“? Ob das eine Person war, der Individualität auf die Nerven ging? Eine Person, die feststellte, dass Individualisten schwerer oder gar nicht nach den eigenen Vorstellungen zu lenken sind als eine Masse, die sich an vermeintlich Objektivem orientiert? Lieschen weiß es nicht. Vermutlich ist die Geschichte der Zeit und der Uhren komplizierter. Sie könnte die Hintergründe googeln. Würde aber eh nur erfahren, was als Historie publiziert wurde und außerdem hat sie gerade Spaß an ihren Vermutungen und schrägen Überlegungen.

An denen lässt sie in Ausschnitten ihren Hermann teilnehmen. Der kennt Lieschens Art zu denken. Wundert sich nicht über ihre Schlussfolgerung, dass die Menschen wahrscheinlich nicht nur über die Zeit ferngesteuert werden und sagt, den Ausgang ihrer Überlegungen aufgreifend „Ich mag die langen Sommerabende, die es ohne die sogenannte Zeitumstellung, die ja einfach nur eine Uhrenumstellung ist, nicht gäbe“. 

DAS ist dem Lieschen nun egal. Wenn es dunkel ist, ist es halt dunkel und wenn es hell ist, ist es hell. Draußen. Solange es Elektrizität gibt und die Lampen im Haus funktionieren ist es ihr egal. Sie kann sowohl dem hellen Tagesteil als auch dem dunklen Teil des Tages Gutes abgewinnen. Aber das Lieschen muss auch nicht jeden Tag der Woche zu einer bestimmten Uhrzeit in ein Büro gehen. Da hat sie es gut. Sie arbeitet, wenn sie das möchte. Meistens. Wie gesagt, solange es Elektrizität gibt, ist sie unabhängig von den Entscheidungen des „Zeitumstellers“. Das findet sie gut und wichtig. Weiß aber natürlich, dass diese Unabhängigkeit auf tönernen Füßen steht. Denn sollte der für die Bereitstellung der Elektrizität zuständige Herr beschließen, diese abzuschalten oder eines Tages einfach nicht mehr einzuschalten, muss auch sie sich wieder umstellen. Und zwar nicht nur in der Nutzung der hellen und der dunklen Tagesteile.

Lieschen hat das im Kleinen ja schon erlebt. Das Leben mit der aufgehenden und der untergehenden Sonne und die Fokussierung auf die wesentlichen Erfordernisse und Freuden des Tages ließ sie den heutzutage so üblichen häufigen Blick auf die Uhr fast gänzlich vergessen. Erst die Ausrichtung auf Arbeit innerhalb der Gesellschaft und das damit verbundene Geld, machte Wecker und den Blick auf die Uhr wieder notwendig. So tappste sie oft im Dunklen, wohl gewaschen aber nicht geschminkt in ihr Auto und holte die Schminkerei nach, wenn die Sonne eingeschaltet wurde und das Licht den Blick in den Spiegel sinnvoll machte.

Lieschen weiß, dass ihr Leben (vielleicht nicht nur) innerhalb der Zeit fremdbestimmt ist. Wenn nicht durch Uhren dann mindestens durch den „Stand“ der Sonne. Damit hadert sie nicht. Sie sucht die Selbstbestimmung innerhalb des Unabwendbaren. Es ist ja möglich den Tag zur Nacht zu machen und umgekehrt. Es ist auch möglich, Uhren, die irgendwelche Zahlen anzeigen zu ignorieren. Jedenfalls manchmal. Auch für Arbeitnehmer. Mindestens an den freien Tagen. Oder nicht?
 Lieschen liest noch einmal bei der Grete nach, entdeckt den Plan vom sonntäglichen Spaziergang und Mittagsschlaf, kommt zu der Stelle als Herr Heinevetter und die Grete sich letztlich über das Fernsehprogramm und den Zwang am Sonntagabend um 20.15 (wann auch immer das ist) den Tatort zu schauen durch Schlaf entziehen und ist froh. Es gibt sie also auch außerhalb ihres eigenen Universums. Die (kleine) Selbstbestimmung innerhalb des Vorgegebenen. Das gefällt dem Lieschen.




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4 Kommentare:

  1. Lieschen hat sich ja wieder mit sehr interessanten Fragestellungen auseinandergesetzt.
    Ich frage mich auch zuweilen, inwieweit unser Leben von Einflüssen geprägt wird, die ich eigentlich gar nicht will. Es kann ja sogar sein, dass ich diese Einflüsse nicht bewusst wahrnehme, unbewusst reagiere – und da fängt die Fremdbestimmung schon an.

    Wie oft am Tag sagen wir: ich muss...
    Müssen in diesem Sinne heißt ja schon quasi ein Nichtwollen oder sogar Nichtdürfen.
    Unser Leben wird bestimmt durch zahlreiche Faktoren wie Zeit, kulturelle Richtlinien, Regeln, auch durch unsere biologischen Anlagen, Naturgesetze etc....
    Hinzu kommt der Druck der Gesellschaft, insbesondere der Arbeitswelt.
    Lieschen hat es da gut. Sie kann den Tag zur Nacht machen und auch umgekehrt, wenn sie es denn möchte und dies ihren inneren Bedürfnissen (denen man nachspüren sollte) nicht zuwiderläuft.

    Meist aber hat man gewisse Gewohnheiten doch so verinnerlicht, dass man – auch, wenn man anders könnte – einer gewissen Fremdbestimmung folgt.
    Heute ist es ja oft sogar so, dass man in der Freizeit die Selbstbestimmung aufgibt, immer erreichbar ist, weil es erwartet wird.

    Kann es sein, dass manchmal auch das Nachspüren dessen, was wir wirklich wollen, mühsamer und unbequemer ist, als sich einfach dem MUSS hinzugeben?
    Erfordert nicht Selbstbestimmung eine ständige Aufmerksamkeit, eine genaue Selbstwahrnehmung und Neuorientierung der Spur, auf der wir uns bewegen?

    Ich finde es sehr schwierig. So vieles läuft außerhalb unseres Bewusstseins ab, dass wir die Fremdbestimmung oft gar nicht wahrnehmen.

    Manchmal wird unsere bewusste Entscheidung auch einfach zunichte gemacht durch ein körperliches Bedürfnis (ich denke da ans Einschlafen beim Tatort). Ist das nun fremd- oder selbstbestimmt?
    Die Bestimmung zu schlafen, kommt hier sicher aus einem selbst heraus.

    Kinder kennen noch kein MUSS. Sie werden bestimmt durch den Drang, ihre Grundbedürfnisse erfüllt zu bekommen. Doch das Leben in der Gesellschaft erfordert Regeln und erst im Zuge jener, denen man sich unterwirft, entsteht auch das bewusste Wollen, das eine Chance bietet zur Selbstbestimmung.

    „Die Selbstbestimmung innerhalb des Unabwendbaren suchen“ – dieser Gedanke von Lieschen und dessen Umsetzung gefallen mir sehr.
    Aber ich fürchte, auch das ist heute vielen Menschen unmöglich.

    Wieder ein tolles Gedankenspiel, auf Lieschens unnachahmliche Weise dargebracht. Klasse.

    Lieben Gruß
    Enya

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  2. Fremdgesteuert - ich denke, dass das uns Menschen deutlich zu schaffen machen. Vieles sind völlig ausgebrannt und müssen wochenlange lernen abzuschalten. Instinkte kennt der Mensch gar nicht mehr, da sind uns die Zugvögel weit voraus, die wissen von der Geburt an wo sie hin müssen. Kling auch fremdgesteuert, aber es ist ihr Natur. Wir haben das verlernt und würden ohne Uhren völlig verloren herumtappen.Ob es jetzt 13.11 oder 14.11 ist, ist mir egal, es sei denn, ich habe Termine und werde dadurch gehetzt. Das Leben ist schwer geworden und unsere Kinder Enkel usw werden es diesbezüglich noch schwerer haben. Ich bin eher ein spontaner Mensch, entscheide auch oft aus dem Bauch heraus. Oft haut das nicht hin, aber ich sehe es inzwischen gelassen. Es bleibt nicht mehr so viel Zeit und die will ich genießen. LG Geli

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  3. Sehr interessante Überlegungen und toll geschrieben.
    Was Geli oben geantwortet hat, genauso sehe ich das auch.
    Fremdgesteuert, ja wir müssen funktionieren und der Ausgleich abzuschalten, in uns zu lauschen, den Luxus können wir uns kaum in diesem Getriebe die Arbeitsalltags entziehen und dann sind da noch die Uhren..
    Liebe Grüße und einen schönen Abend
    Ingrid

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  4. Ein toller Bericht. Wir alle sind leider fremdgesteuert - und das nicht nur von der Uhr.Um in dieser Gesellschaft zu funktionieren, müssen wir oftmals persönliche Befindlichkeiten hinten an stellen.
    In der Arbeitswelt haben wir stets präsent zu sein - dürfen keine Schwächen zeigen. Werden also getrieben und gesteuert. Und wenn ich ganz ehrlich bin - das hört auch in der Rente nicht auf.
    Einen wunderschönen Abend wünscht dir
    Irmi

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