Samstag, 31. August 2013

Lieschen überlegt am Wochenende

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 43 ---> guckst du hier

Wenn die Frau von der Leyen meint, dass eine Selbstausbeutung der Beschäftigten vermieden werden soll und das in ihrem Ministerium angeblich tatsächlich umsetzt, dann kann der Herr Seibert, seines Zeichens Pressesprecher der Bundesregierung und noch so einiges mehr, ja von Glück sagen, dass er nicht direkt im Bundesarbeitsministerium angestellt ist. Dann wäre der seinen Job ja schnell los. Oder wäre Miss Perfect dann doch nicht ganz so konsequent, auch wenn sie sicher sein könnte, dass ein Mitarbeiter nicht nur bereit ist, sich selbst auszubeuten, sondern es auch noch tut?

Das Lieschen hat nämlich gehört, dass der Herr Seibert sein I-phone nieeeemals ausschaltet. Er war ganz verwundert als ihn der junge interviewende Schnösel danach fragte. „Natürlich nicht! Das ist mein wichtigstes Arbeitsgerät! Und oft geht es um Sekunden! Und natürlich auch in der Nacht. Es kann ja überall auf der Welt immer irgend etwas passieren“ hat er gesagt und ganz rote Bäckchen hat er dabei gehabt. Als er noch Nachrichten vorgelesen hat, wirkte er entspannter, findet die Liese. Da hat er auch noch ganze Wochen frei gehabt, glaubt sie. Ist das nicht so geregelt? Eine Woche Arbeit, eine Woche frei? So ein Arbeitsrhythmus würde dem Lieschen auch liegen.

Aber zurück zu dieser Politikerin mit den vielen Kindern in einer anderen Stadt. Was heißt denn diese neue Regelung wirklich? ‚Zugeschnitten auf die unterschiedlichen Ressorts‘. Heißt das, dass der Chef von der Wilde, wenn er die gleiche Regelung einführen würde, sagen könnte „Och. Liebe Frau Wilde. Gerne. Doch Ihr Ressort ist 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche besetzt zu halten. Aber. Versprochen. Nach Feierabend werde ich Sie nicht anrufen und Ihnen auch keine Emails schicken.“

Ist doch eine schwammige Sache, die uns da kurz vor der Bundestagswahl aus dem Arbeitsministerium vermeldet wird, findet das Lieschen. Soll ja schon seit Mai gelten. Warum erfährt die Welt genau heute davon? An einem Samstag. Am Samstag vor dem Kanzlerduell. Einen Tag bevor die Gefahr besteht, dass die Presse, die ja bislang den Herausforderer der Chefin der Tochter von Herrn Albrecht, unisono runter geschrieben hat, vielleicht beginnt, ihn genauso systematisch hoch zuschreiben? Frei nach dem Motto. „Och. Hat der sich gut geschlagen gegen die Mutti“.

In diesem Wahlkampf zählen ja wahrscheinlich die kleinsten Details. Und mit so was kann eine Partei ja punkten. „Och Mensch!“ werden jetzt vielleicht manche sagen. „Bei der Frau möchte ich auch gerne angestellt sein. Ist ja viel besser als bei mir. In welcher Partei ist die noch gleich?“ Wenn Frau von der Leyen Glück hat, dann gibt es in der Nähe der Fragenden jemanden, der zufällig weiß, welche Partei das ist und wenn sie noch mehr Glück hat, schließlich hängt ja ihr Arbeitsplatz direkt davon ab, dann wird derjenige am 22. zur Wahl gehen und vorsichtshalber beide Kreuze bei der CDU machen. Weil die Frau von der Leyen so eine wunderbare Chefin ist. So schön lächelt. So taff ist und überhaupt.

Lieschen glaubt nicht an Zufälle in diesem Geschäft, dass sich Politik nennt. Sie glaubt auch kaum jemandem dort, dass es ihm wirklich um die Menschen geht. Nicht im eigenen Ministerium und nicht im Staat. 
Außer vielleicht dem Kanzlerinnen-Herausforderer. Der muss doch mit dem Klammerbeutel gebügelt sein, dass er sich das antut. Ob der vielleicht wirklich was Gutes bewirken will? Zu direkt und zu hart finden ihn die Menschen. Als er geweint hat, fanden sie ihn zu weich. Oder stimmt das gar nicht und das ist nur, was die Zeitungsmacher, die ja auch froh über ihren Job sind, schreiben müssen, damit sie diesen RundumdieUhrjob, den sie ja auch nicht verlieren wollen, behalten können?

Ach. Dem Lieschen schwirrt wieder der Kopf. Sie kennt sie ja alle nicht und doch hört sie dauernd Meldungen und Meinungen, denen sie wie ein Pawlowscher Hund hinterher läuft und erst wenn sie mitten drin ist, darüber nachdenken kann, was da eigentlich gespielt wird.


Lieschen ist froh, dass die Grete ein freies Wochenende hat und wünscht der Frau Wilde, dass sie bald auch eines haben wird. Aber vielleicht fehlt der Frau Wilde dazu, noch mehr als diese Meldung aus dem Arbeitsministerium, ein kleines bisschen Selbstbewusstsein und Mut, einfach mal probeweise ein kleines NEIN in die Welt zu hauchen. Wer weiß. 

Ein neues bundesweites Gesetz ist es ja nicht, das da heute breit getreten wurde. 





Freitag, 30. August 2013

Lieschen, PorNO und die Kopiererei

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 42 ---> guckst du hier

Gottseidank, denkt das Lieschen, nachdem es Gretes heutigen Bericht zu Ende gelesen hat. Gottseidank hatte die Grete sich das nicht bis zum Ende angetan. Sie selbst hatte nur kurze Ausschnitte in einer Talkshow sehen müssen, in der Frau Roche persönlich in den höchsten Tönen von dem Machwerk schwärmte, dessen literarische Vorlage – Lieschen glaubt tatsächlich zu erinnern, dass dieses Wort fiel – sie selbst geliefert hatte. Oft verkauft. Auch viel gelesen? Man weiß es nicht. 

Eine Talkshowgästin jedenfalls sagte sinngemäß „Mit Verlaub, liebe Frau Roche, ich möchte Ihnen natürlich nicht zu nahe treten. Als ich sah wie oft sich ihr Buch verkauft, wollte ich wissen, was Sie besser machen als ich, deren Bücher sich nur so lala verkaufen. Ich muss Ihnen sagen, mein Fall war es nicht. Nach wenigen Seiten habe ich es nicht weiterlesen wollen.“ Oh du gute, ehrliche Frau dachte das Lieschen damals. Die anwesenden Herren gaben sich, jedenfalls gemäß Lieschens Erinnerung, komplett unprüde, ließen ohne mit der Wimper zu zucken den Filmausschnitt über sich ergehen und Herr Lanz machte eine seiner gefürchtet extrem intellektuellen Feststellungen (echte Fragen stellt er ja selten), die sinngemäß lautete „Im Grunde sah man ja nichts Genaues, sehr sehr gut gemacht. Frau Roche sagte „eben“ und erwähnte noch einmal, dass sie sich ja den Regisseur ( oder war es der Produzent?) schließlich selbst ausgesucht hat. Und immer noch taten in der Runde alle so als mochten sie, was sie sahen und worüber gesprochen wurde. 

Jedenfalls erinnert das die Liese so und lässt es jetzt noch einmal Revue passieren, weil die Grete ja auch die einzige war, die sich dem Gruppenzwang, cool zu sein nur sehr sehr kurz ausgesetzt hat. Lieschens Nachbar hätte vielleicht gesagt, diese beiden Frauen, die Grete und die Dame aus der Talkshow waren die einzigen, die Eier in der Hose hatten. Das sagt er oft. Deshalb vermutet das die Liese auch hier und fragt sich, warum es so viele Menschen gibt, die glauben, beweisen zu können, das sie welche haben, also in der Hose, indem sie mit der Herde laufen. Seltsam. Denkt die Liese und wie so oft schwirrt ihr Kopf. Und mitten in diesem Schwirren  sieht sie eine Erinnerung, die vielleicht gar nicht zum Thema passt, aber in Lieschens Kopf schon. 

Als sie eine junge Studentin war, das Lieschen. Also in der kurzen Zeit als sie Studentin war. Also in der Zeit als sie das Studieren mal probiert hat und kurz bevor sie es wieder beendet hat, erzählte ihr eine Freundin von einem kurzen Job, der von der EMMAredaktion geboten wurde. Es war die Zeit, in der die nackten oder halbnackten Frauen es sich zunehmend auf den Coverbildern fast aller Illustrierten bequem machten und Alice Schwarzer mit ihrer EMMA-Redaktion die große PorNO-Kampagne ins Leben gerufen hatte. Soweit. So gut. Und so uninteressant für unsere Liese. Doch dann erzählte die Freundin, dass das der Redaktion angeschlossene Archiv Fotokopien der „zitierten“ Cover bräuchte und für deren Herstellung sei eine Studentin gesucht. Ab da begann sich die Liese schon zu interessieren. Die Kampagne der Zeitung wandte sich gegen solche Cover und im quasi zur Zeitung gehörenden Archiv sollten die bekämpften Cover archiviert werden! Solche Diskrepanzen fand das Lieschen damals schon interessant und witzig. 

Sie hat sich also für diesen verantwortungsvollen Job beworben, ihn bekommen und es kam noch besser. Ihre Aufgabe war es nämlich ab dann einige Tage lang Bilder von nackten Frauen in den unterschiedlichsten Positionen zu kopieren und in dicken Ordnern zu versammeln. Und das nicht nur einfach. Nein! Doppelt war gefragt. Das Archiv wurde nämlich von einem Industriellen finanziert und dieser Herr hat sich erbeten eigene Exemplare der Ordner zu bekommen. „Oh du verrückte Welt“ dachte die Liese während der Kopiererei häufig.


„Entweder/Oder“ hätte das Lieschen diese Welt gerne. Klare Statements, die auch hinter den Kulissen Bestand haben wären der Liese am Liebsten. Wie kam sie jetzt darauf? Egal. Die Grete hatte sich einfach aus der Herde begeben, zu sich gestanden und dann offensichtlich nicht heimlich das feuchte Buch aus ihrem Archiv gezogen und darin gelesen. DAS gefällt dem Lieschen!




Donnerstag, 29. August 2013

Lieschen lobt und Grete kommt ganz groß raus

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 41 ---> guckst du hier

Ja. So ist die Grete. Wenn die mal was angefangen hat, dann zieht sie das auch durch. Koste es was es wolle. Dann will sie es wissen. Und wenn sie es dann weiß, dann sagt sie nichts. Erst mal nicht. Das Lieschen ist froh, dass sie es ihr dann doch erzählt hat. Nicht nur weil sie dadurch von der coolen Aktion erfahren hat, sondern auch weil es die Grete ein bisschen erleichtert hat. Immer alles nur mit sich selbst ausmachen ist ja auf Dauer auch nicht gesund.

Lieschen fand, die Grete hat es richtig gemacht. Hat sie  ihr auch gesagt „Grete“ hat sie gesagt „Grete. Das war ja ne Superidee!“ Die glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und spuckte beinahe den letzten Schluck Kaffee mitten auf den Tisch als sie schneller fragte als sie schlucken konnte „meinste echt?“ „Klar! Ist doch Super! Hätte doch auch gut gehen können!“ „Meinste echt?“ Gretes Stimme wird immer höher. „JAHA! Sag ich doch!“

Gottseidank lösten ein paar junge Skater die beiden aus dieser vermasselten Situation und entbanden Grete davon, diese wichtige Frage ein weiteres Mal in noch höherer Tonlage zu stellen, weil sie tatsächlich glaubte, Lieschen würde mit ihr schimpfen wollen.

 Die Jungs erzählten sich gegenseitig die Geschichte von der verrückten Brause verschenkenden Alten unten am Flussufer und damit nicht genug. Sie setzten sich, ohne die Grete zu erkennen, an den Nebentisch der beiden Damen, bestellten ein paar Bier, machten es sich gemütlich und dachten laut über Gretes Aktion nach.
„Ist doch eigentlich cool! Da kommt so ne wildfremde Tussie und schenkt mir einfach was. Wann erlebste sowas schonmal? Eigentlich Klasse!“ „Ich hab auch schon mal von soner Aktion gehört. Ach ne, war ein Youtube Video. Den Link hatte ich vom Flo, der suchte damals Leute, die das mit ihm zusammen machen wollten.“ „Meinst du das Video von den Amis, die Orangen, Bananen und kleine Flaschen Wasser zu Pennern, Obdachlosen und geldknappen Menschen auf der Straße gebracht haben?“

Grete und Liese waren mucksmäuschen still. Und damit sie wirklich kein Wort von der Nachbartischunterhaltung verpassten, legte das Lieschen den Finger der einen Hand an den Mund und die andere Hand auf Gretes Arm. „Hör zu“ wollte sie damit gesagt haben. Sie hatte dieses Video nämlich auch gesehen. Und dachte damals schon, dass das Klasse wäre, so etwas auch in einer deutschen Stadt zu machen. Ganz berührend fand die Liese damals die Sequenzen, in denen die Jungs die Gaben einfach neben schlafende Penner gelegt haben. Die haben Augen gemacht, als sie bemerkten, dass das alles für sie war.

„Ja, das Video. Die haben das gesunde Zeugs mit einem Lächeln und offensichtlich sehr herzlich an den Mann und an die Frau gebracht.“ Lieschen war ganz platt über solche Diagnosen der Jugend und Gretes roter Mund stand ziemlich weit auf.

„Weißte was? Wir machen das auch!“ sagte einer dieser jungen Kerle zu den anderen und, oh Wunder, die anderen stimmten im Rubbedidupp zu, nahmen ihre I-phones und begannen das Geld- und Menschensammeln für die Aktion.

Um die Chance nur ja nicht zu verpassen, packte sie rasch die Grete am Arm, zog sie aus der Starre und dem Stuhl und schob sie an den Nachbartisch.
„Können wir mitmachen?“ Lieschen brauchte nur ein bisschen Mut für diese Frage und Grete trat ihr auf den Fuß. „Klar! Super! Je mehr desto besser!“ „Wann?“ „Jetzt gleich. Drüben ist ein Supermarkt. Die anderen kommen hier her.“ 
Als der Beschenkte hochguckte, erwartete die Grete tatsächlich doch noch Gelächter, Hohn oder Spott und war nicht schlecht erstaunt, als der sagte „Oh! Sie sinds! Danke! Dann ernennen wir Sie jetzt zur Anführerin der Aktion. Ehre, wem Ehre gebührt!“ „Wolln wir los?“




Dienstag, 27. August 2013

Lieschen ohne Strom im Wald


Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 40 ---> guckst du hier

Lieschen hätte das auch noch gekonnt. Sogar völlig ohne Strom. Mit Tasten so hoch wie der Mount Everest und der Armgymnastik mit dem Pling bei jeder neuen Zeile. Die Susi hätte das Gerät vermutlich im 17. Jahrhundert verortet. Und doch gibt es auch dafür Zeitzeugen, die auch noch nicht so bald drohen, auszusterben.
Ob die Grete im Keller wohl auch noch altes Tipp-EX gefunden hat? Wenn ja welches? Die modernen Streifen oder das Nagellackgleiche Fläschchen?

Wie gut, dass die Grete auf die Idee mit dem Keller gekommen ist. Vielleicht hat ihr das Lieschen indirekt auch ein bisschen dabei geholfen. Denn die Liese hat mal viele Jahre mitten im Wald in einem Häuschen quasi ohne Strom gelebt. Und die Grete erkundigt sich immer mal wieder, wie das wohl ging. Und dann reden sie darüber. Lieschen gerät dann ins Schwärmen und Grete sagt immer wieder „Ne, ne, ne. Das passt doch nicht mehr in die heutige Zeit. Ohne Strom kannste ja nix machen! … Wie zum Beispiel willste das dreckige Geschirr sauber bekommen?“ „Warmes Wasser, Schwamm, Spüli und nasse Hände können da Wunder wirken.“ „Ach hör auf! Und wie bekommst du das Wasser warm, wenn du keinen Strom hast, hä?“ „Im großen Topf Wasser auf dem Herd kochen, in die Spülschüssel schütten und mit kaltem mischen.“ „Hahaha, ein Herd ohne Strom?“ „Aber ja, Grete, an eine Gasflasche angeschlossen.“ „Ach. Und wer bringt die dahin?“ „Selberschleppen macht fit.“ Und so kann das stundenlang weitergehen das Gespräch. Immer wieder. Und immer wieder die gleichen Fragen. 
Die Grete kann sich das nämlich in ihrer zivilisierten Wohnung mit Strom aus der Wand, Wasser aus der Wand und Wärme aus den weißen Dingern an der Wand nicht vorstellen, dass die Liese mal so gelebt hat. Das war Lieses Zeit im Ausland. Da hatten sie keinen Kontakt. Ein paar Jahre. Weil die Liese ja kein Internet hatte und weil sie sich mit dem Hermann zusammen mal zurückziehen wollte. Von allem, sogar von der Grete.

Für Liese war das eine prima Zeit. Viele Jahre kein Fernsehen, kein Radio oder später gezielt eine halbe Stunde mit Strom aus dem Generator. Statt dessen Vogelgezwitscher oder besser gesagt Vogel- und Insektenradau. Das kann sich in der Stadt kaum jemand vorstellen, wie laut die Natur ist, wenn sie nicht von irgendetwas übertönt wird. Licht spendete die Sonne mittels einer winzigen Solaranlage und Wärme die umgekippten Bäume des Waldes am Abend im Kamin. Nachdem der Hermann und die Liese gesägt, gehackt und gesammelt haben. Macht auch warm. Und manchmal kalt ist auch nicht schlimm, weiß die Liese jetzt. Und die Grete kann und will sich das nicht vorstellen.

Sie mag ja die Geschichte am liebsten ab dem Punkt, wo die Zivilisation nach und nach wieder Einzug in Hermanns und Lieses Leben gehalten hat. Als sie den kleineren und etwas leiseren Generator angeschafft haben und den Fernseher, der wenig Strom verbrauchte und aus der halben Stunde nach und nach mehrere wurden und mit dem ersten Laptop innerhalb weniger Wochen auch die große weite Welt erst minutenweise und dann dank Flatrate stundenweise in den Wald einzog und die Waldwelt im Nu gravierend veränderte. Die Grete mag wohl ab und an die Gespräche darüber, aber ist schon sehr froh, dass die Liese jetzt wieder in ihrer Nähe und in einem Haus mit Strom und allem Drum und Dran lebt.

Lieschen selbst fragt sich manchmal, was sie wohl täte, wenn es von heute auf morgen einen großen langen Stromausfall gäbe? Würde ihr wieder einfallen, wie man Speisen und Getränke auch ohne Kühlschrank kühl hält? Wo ist der nächste Wald für Feuerholz? Kann sie den zu Fuß erreichen? Gibt es Quellwasser in der Nähe? 

Und überhaupt? Was braucht man wirklich? Wenig. Sehr wenig. Weiß das Lieschen. Im Grunde nicht einmal die Schreibmaschine, wenn man einen Bleistift hat.





Montag, 26. August 2013

Lieschens Großmutter wusste es: Die Welt will betrogen werden

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 39 ---> guckst du hier

Lieschens Großmutter, Gott hab sie selig, pflegte zeitlebens zu sagen „Der Mensch will betrogen werden“. Und wenn sie ganz schlimme Dinge in der Zeitung gelesen hatte, setzte sie noch einen drauf und sagte „DIE WELT will betrogen werden“. Wie sie darauf kam, ob das stimmt und ob die Oma selbst einschlägige Erfahrungen mit aktivem oder passivem Betrug gemacht hat, weiß die Liese nicht. Sie weiß nur, dass die Großmutter aus dem Leben alles herausgeholt hat was ging. Nicht qualitativ, aber quantitativ. Sie ist ein wenig älter als 100 Jahre alt geworden. Ein stolzes Alter, sagten die Bekannten. Die Rente nächsten Monat nehme ich noch mit, sagte sie selbst. Jeden Monat. Bis es wirklich nicht mehr ging.

Ob es Herrn Heber genauso ging, als ihm die Töpfe angeboten wurden? Wollte er auch nur das Beste rausholen? Mit dem gleichen Ergebnis wie Lieses Großmutter. Nicht qualitativ aber quantitativ? Er hat ja viele Töpfe für sein Geld bekommen.  Warum hat er die gekauft? Warum hat er nicht noch eine Nacht darüber geschlafen, sich erkundigt, mit seiner Frau gesprochen, ob sie genau diese Töpfe möchte oder sich gesagt, „och, das tägliche Essen, das die Frau kocht schmeckt lecker, dass sie neue Töpfe braucht, hat sie auch noch nie gesagt, ich lass‘  dieses mögliche Schnäppchen einfach mal vorüberziehen.“ Das wäre ja möglich gewesen. In den wenigsten Betrugsfällen steht ja der Betrüger mit vorgehaltener Pistole im Raum und sagt „Du kaufst jetzt! Oder ich schieße!“ Die meisten Menschen kaufen ja freiwillig. Weil sie sich irgendetwas vom Kaufen versprechen oder von dem Ding, das sie kaufen.

Oder hat der Betrüger gesagt „Hör mal, du sparst ne Menge Geld, wenn du das jetzt kaufst“ und der Herr Heber hat das geglaubt, obwohl ja schon jedes I-Dötzchen, das ein Sparschwein besitzt, bereits weiß, dass gespartes Geld nur das nicht ausgegebene Geld ist. So ein Kind weiß, dass wenn es Geld aus dem Sparschwein herausholt und es gegen irgendetwas anderes eintauscht, dieses Geld nicht mehr im Sparschein ist und somit kein gespartes Geld mehr ist. Kinderleicht zu verstehen. Eigentlich. 
Hätte Herr Heber die hundertzehn Euro im Portemonnaie gelassen. Ja, dann könnte man von Sparen sprechen. Aber das machen Erwachsene im Regelfall nicht. Jedenfalls kennt die Liese kaum welche, die nicht über ihre Verhältnisse leben, dauernd irgendwas kaufen und ihr gleichzeitig noch erzählen, dass sie ja jede Menge gespart haben. Irgendwo auf dem Weg vom kleinen Kind mit gut gehütetem Sparschwein zum Erwachsenen geht wertvolles Wissen verloren und irgendein Relais kaputt.

„Und was geht wohl in einem Betrüger vor? Was geht in jemandem vor, der andere Menschen wissentlich und willentlich belügt und über den Tisch zieht?“ Dieses Thema regt die Liese so sehr auf, dass sie laut mit sich selbst spricht und so von den eigenen Worten überrascht wird. „Über den Tisch zieht?“ Sie wittert einen Hinweis. „Über den Tisch? Zu sich selbst?“ Jetzt glaubt die Liese, die Lösung gefunden zu haben. Der Betrüger betrügt, weil er nicht alleine auf seiner Tischseite sitzen will? Will er nicht alleine sein? Oder will er nicht beobachtet werden. Wenn der Betrogene nach dem Betrug auf der Betrügerseite sitzt, sieht er ja nicht mehr frontal, was der Betrüger tut und hat selbst die Seiten gewechselt?

Für diese Theorie würde sprechen, dass der Herr Heber ja wohl der Betrogene ist, aber auch zum Betrüger wurde. Nämlich gegenüber seiner Frau. Der hat er ja erzählt, dass er ihr WerweißwasfürdolleTöpfe mitgebracht hat. Was ja nicht stimmte. Das hat die Grete ja für sie herausgefunden.

Das Lieschen entspannt und lacht. Sie liebt das Denken und UmdieEckedenken so sehr wie andere das Kaufen und das Sparkaufen.


Vielleicht muss sie doch noch mal mit der Oma reden. Ob die genauere Erkenntnisse mit ins Grab genommen hat? Mit dem Denken allein kommt die Liese ja offensichtlich auf keinen grünen Zweig. 
Die Liese könnte sich ja zu diesem Zweck mal an ein Medium wenden. Hauptsache, sie erfährt dann dort die Wahrheit und sitzt keiner Betrügerin auf.



Sonntag, 25. August 2013

Lieschen und das geträumte DashboardParadise ihrer Jugend

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 38 ---> guckst du hier


Kaum hat das Lieschen Gretes Nostalgiebericht zu Ende gelesen, verdreht sie schwärmerisch die Augen und singt auch schon. „Do you love me? Do you love me for ever? Do you neeeeeeed me???“ Sie war noch keine zwanzig als sie das Lied, dessen Text sie offensichtlich noch auswendig kann, Tag um Tag sang. Damals waren das drängende Fragen. Für immer. Brauchen. Sehnsuchtsort Auto. 
„Will you neeeeever leave me???“ Tja. So hat sie damals gesungen. Auch ohne Herrn Meat Loaf, von dessen Exzessen hinter der Bühne sie erst in den letzten Jahren erfuhr. 
Und während sie weiter singt „Will you make me so happy for the rest of my life? Will you take me away? Will you make me your wife? DO YOU LOOOOOVE MEEEE???” versagt ihr bald die Stimme. Von einer Sekunde auf die andere wird sie ganz still.

Natürlich hat sie damals manch einer glücklich gemacht. Für den Moment. Sehr lange geblieben ist keiner. Und doch wollte sie es immer wissen. Am liebsten vorher. Und damit war sie nicht allein. Auch die Grete glaubte damals an die große Liebe, dass sie eines Tages käme und malte sich mit dem Lieschen zusammen den Augenblick aus, in dem der Jüngling auf dem weißen Pferd überraschend um die Ecke biegt, scharf bremst und vor plötzlich entbrannter - natürlich ewiger - Liebe fast vom Pferd fällt, aber von einer von beiden in letzter Sekunde selbstverständlich aufgefangen wird.

Auch mit dem Thema Hochzeitskleider, Hochzeitsfeier und wen sie unbedingt zur Feier einladen mussten und wen unter keinen Umständen, hatten sie sich oft beschäftigt. Die Listen mussten sie im Laufe der Jahre oft umschreiben, doch das Lied blieb. Und die Sehnsucht. 
Bei der Grete länger als bei dem Lieschen. Die hat ja irgendwann viel später den Hermann gefunden. Oder er sie. Das wissen beide nicht mehr so genau. Ist ja auch schon lange her. Zu der Zeit hat die Liese schon lange nicht mehr aktiv ‚Paradise by the dashboard‘  gesungen und auch nicht mehr „Am Tag als Conny Kramer starb“.

Aber das ist ein anderes Thema. Über das spricht sie nicht so gerne. DAS Lied hat sie nämlich damals gar nicht richtig verstanden. Obwohl sie den Text in ihrem „TOP-Heft“ (das würde die Susi auch nicht mehr kennen) oft nachgelesen hat und schließlich auswendig konnte, hat sie erst im Alter begriffen, dass sie lauthals singend einen Drogentoten beklagte. Mit Drogen kannte die Liese sich nicht aus. Jedenfalls nicht mit den verbotenen. Mit den üblichen, also Zucker, Kaffee, Zigaretten und Alkohol natürlich schon. Aber das  ist auch wieder ein anderes Thema.

Plötzlich schüttelt sich das Lieschen als würde sie das von den Erinnerungen der Jugend befreien, geht zum Spiegel und streckt sich die Zunge raus. „Ein bisschen dumm warst du damals schon, liebe Liese. Naja. Musstest halt deine Erfahrungen machen. Hat ja auch was genützt. Oder nicht?“ Sie geht ein bisschen näher an den Spiegel, stippt den Kopf ganz nach vorne und schaut noch einmal genauer. „Oder nicht! Ist wahrscheinlicher! Macht aber nix!“

Als sie sich wieder auf ihren neuesten Lieblingsstuhl setzt, den sie neulich auf dem Flohmarkt mit der Grete zusammen gekauft und dann hübsch bemalt hat, sieht sie schon nicht mehr ganz so wahnsinnig, sehnsüchtig und vergangenheitsverrückt aus wie vorher.

Dann lacht sie und sagt „ob ich wohl rasch in den Nachbarort zur Telefonzelle fahre, Grete anrufe und ihr das Lied schnell mal wieder live vorsinge?“ Die hätte dann morgen der Susi wieder einiges zu erzählen und vor allem zu erklären. Telefonzellen kennt die ja wahrscheinlich auch nicht.




Samstag, 24. August 2013

Lieschen, Grete, Krieg, Frieden und der Samstagskaffee

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 37 ---> guckst du hier

„Krieg. So ein furchtbarer Krieg“ hatte die Grete ins Telefon gerufen. Und „Mörder“ hat sie hinterher geschoben. Das Lieschen brauchte einige Nachfragen, um wenigstens ein annähernd genaues Bild von Gretes Problem zu bekommen. Da sich das aber am Telefon nicht wirklich klären ließ und auch weil sie heute früh auf Ninjas Blog von der Samstagskaffeeaktion gelesen hatte, ist sie mal eben mit Hermanns Saxonette zur Grete gefahren. Heute ohne Helm. Es musste ihr übliches Hütchen tun. Noch einmal wollte sie sich die Frisur nicht so entsetzlich ruinieren.

Bei der Grete angekommen, haben es sich die beiden erst einmal an der Kaffeetafel so richtig gemütlich gemacht. Gemütliche Kaffeetafeln kann die Grete herstellen. Macht sie auch gerne. Oft auch für die Leute im Haus. Aber die hatten bis auf Herrn Heinevetter heute alle ihre eigenen Samstagsbeschäftigungen.

Noch bevor sie über Krieg und Frieden sprachen. Noch bevor sie sich detailliert um Gretes Aufregung kümmerten, holte die Liese kurz Herrn Heinevetter in Gretes Wohnung und bat ihn, ein Foto von der Kaffeetafel  mit beiden Damen zu machen. Dazu war der gerne bereit. Ob er wusste, dass es Gretes Haferflockenplätzchen gab? Jedenfalls hat er das Foto gemacht. Danach imaginär den Hut vor beiden gezogen und ist mit einer großen Dose Kekse wieder von dannen gezogen. Zu tun hätte er noch. Sagte er.

Erst als er weg war, sah die Liese, dass das Foto völlig verwackelt war. So konnte sie das natürlich unmöglich bei Ninjas Aktion einreichen.  Aber ein verwackeltes Foto und ein wackelter Plan kann unsere Liese ja nicht wirklich erschüttern oder aus der Bahn werfen. Sie kann ja malen. Und das wirklich nicht schlecht. Findet sie jedenfalls selbst. Gedacht. Gefragt. Getan. Grete holte Papier und ein paar Buntstifte. Lieschen malte und Grete entspannte sich Gottseidank offensichtlich beim Zuschauen.






Als das wunderbare Samstagskaffeebeweisbild fertig war, hatten sie die Riesenkekseschüssel fast leer gegessen und Grete war bereits nah dran, die Tränen, die sie über die schrecklichen Kriegsbilder vergossen hatte, zu vergessen und stattdessen fast beinahe zu lachen. Lieschen schaute sich den Kampf der Freundin, die mittlerweile schon nahezu entspannt im Stuhl saß, in Ruhe an und stimmte froh mit ein. Sie selbst kann sich über ihre „Gemälde“ sowieso kaputtlachen. Natürlich weiß sie, dass sie über das Kindermalstadium niemals hinaus gekommen ist. Aber das, genau das, findet sie ja so kunstvoll an ihren Werken. Als sie das dann nochmal erklärte, lachte auch die Grete schallend und verputzte die restlichen Kekse. Sie gefielen sich auf dem Bild. Das Wesentliche kommt deutlich hervor. Da waren sie sich einig.

Und es ist ein friedliches Bild. Nicht nur auf dem Papier. Und sie waren dankbar. Beide. Über ihr friedliches Leben. Über ihr Leben in Deutschland, das wohl noch keinen Friedensvertrag hat, aber ein Land ist, in dem zurzeit kein Krieg herrscht.

Sie trauten sich, den momentanen Frieden zu genießen, obwohl es in anderen Teilen der Welt Krieg gibt. Darauf haben sie keinen Einfluss. Auf ihren eigenen Gemütszustand schon. Über Krieg oder Frieden in ihrem Inneren und über Krieg oder Frieden in ihrem kleinen Umfeld haben sie einen Einfluss.
Feierlich beschlossen sie, auf den Frieden und die Freude das größere Augenmerk zu legen als auf Krieg und Hass. Hätte es noch Kekse gegeben, sie hätten sie zur Besiegelung gegessen.

Lieschen ist froh, dass es der Grete wieder besser geht und wird jetzt flugs beider Teilnahme an der Aktion in die Wege leiten. Ist ja eine friedliche Aktion. Da können sie ruhig mit machen.






Freitag, 23. August 2013

Lieschen hat gar kein Auto

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 36 ---> guckst du hier

Nicht nur, dass das Lieschen nicht mehr Auto fährt. Nein. Konsequent wie sie ist, hat sie gar kein Auto - mehr.  Das war mal anders. Vor vielen Jahren hat sie es geliebt, bei Wind und Wetter mit ihrem offenen Flitzer durch die Welt zu brausen. Nur kurz anhalten, Knopf bedienen und schon tat das Verdeck, was sie wollte. Bei drohenden Regentropfen war es bereit, sie zu schützen und bei jedem anderen Wetter machte es den Weg frei. Wehende Haare, auch ins Gesicht, das mochte die Liese in ihrem roten Gefährt.

Bis zu dem Tag, an dem sie eine an sich gewohnte längere Autobahnstrecke von 300 Kilometern zwischen zwei deutschen Städten gefahren ist. Hin und zurück ist sie gefahren.  Ohne Navi. Das gab es damals noch nicht.
Eigentlich hat es ihr wie immer Spaß gemacht. Doch nach Abschluss der kleinen Reise erhielt sie per Post zwei Schnappschüsse. Ihr Gesicht, wehendes Haar und ein Lächeln. Nicht dass sie beim Schuss extra gelächelt hätte. Nicht dass sie bemerkt hätte, dass sie geblitzt worden war. Nicht dass sie vor Wut nicht getobt hätte als sie die Post bekam. Sie hat getobt. Und zwar über diese furchtbare Baustellenpolitik. An ellenlangen Baustellen war sie vorbeigefahren. Viele Kilometer lang. Zu Beginn ein Schild, das ihr sagte, sie dürfe nur noch 60 km/h fahren. Tat sie auch. Eine Zeit lang. Dann. Keine Bauarbeiter. Keine Erinnerungsschilder. Nachlassende Erinnerung. Und schon fuhr unsere Liese schneller. So wie alle anderen auch. Sie war sich keines Vergehens bewusst. Bis ihre Erinnerung durch die erhaltenen Briefe geweckt wurde. Auf der Hin- und auf der Rückfahrt.

Als sie sich wieder beruhigt hatte, schrieb sie die horrenden Zahlen auf zwei Überweisungsträger, brachte sie zur Bank (Online-Banking gab es auch noch nicht) und sagte innerlich „Da! Nehmt es! Aber mehr kriegt ihr von mir nicht! Niemals mehr!“, verkaufte das Auto und fuhr von diesem Moment an Bahn.

Schon lange liebt sie das. Schon lange besitzt sie eine Netzkarte für die kleineren Strecken und eine Bahncard, die ihr die längeren bezahlbar macht. Damit ist die Liese glücklich. Nie mehr Stau, keine Parkknöllchen, keine Parkgebühren und vor allem keine Post mit verwackelten Bildern im Wert von kleinen Reihenhäusern. 

Im unwahrscheinlichen Fall, dass ein Zug, mit dem die Liese fahren will schlimme Verspätung hat oder gar ausfällt, macht sie es sich auf dem Bahnsteig gemütlich. Guckt. Liest. Ist entspannt und freut sich ihres kostengünstigen Lebens.

Und sie erlebt viel. Am liebsten hat sie das Theater, das falschherum gereihte ICEs, natürlich in letzter Sekunde, kurz vor Ankunft des Zuges im Bahnhof gemeldet, verursachen. Mit viel zu schwerem Gepäck auf dem Bahnsteig rasende und rempelnde Personen mit hochroten Köpfen hätte sie in ihrem Auto niemals beobachten können. Lustige Durchsagen in köstlichem Englisch gab es in ihrem roten Flitzer ebenfalls nicht.

Was ihr aber nach all den Jahren das allerliebste am Bahnfahren ist, ist die Tatsache, dass sie sich, nachdem sie sich einmal für ein Ziel entschieden und die Karte in der Tasche hat, einfach den Zugführern anvertrauen kann. Sie hält das für eine große Freiheit. Die Liese fühlt sich im Zug so frei wie sich fast alle anderen Menschen, die sie kennt in ihren Autos fühlen. Sie mag das Getacktete der Fahrpläne, das ihr fast jede weitere Entscheidung abnimmt. Sie hält die Zeiten, in denen sie gefahren wird (und auch die Wartezeiten) für geschenkte Zeit und genießt sie besonders.


Die Kleinbusse, die auch Gretes Arbeitsweg säumen und selbst auf dem Weg zu ihren Arbeiten sind, sieht das Lieschen nur durch die Zugfenster. Ganz gemütlich durchs Fenster. Für die Betrachtung waghalsiger Überholmanöver reicht meist die Verweilzeit nicht. 
Wenn sie also richtigen Straßenterror sehen will, muss sie wohl mal mit der Grete zur Arbeit fahren oder einfach nur mit Hermann Formel 1 gucken. Mal sehen. Vielleicht macht sie beides mal. Auch nur so zum Spaß.




Donnerstag, 22. August 2013

Lieschen, Grete und die Gerechtigkeit

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 35 ---> guckst du hier


„Gerechtigkeit, Grete“ hat das Lieschen gestern beim Kaffee immer wieder zu ihrer lädierten Freundin gesagt. „Gerechtigkeit gibt’s nicht. Nicht vor Gericht und vielleicht auch nicht im Leben“. Aber weil die Grete darauf bestand, dass man alles tun müsste, damit es sie gäbe, die Liese nicht von ihrer Meinung abwich und die jungen Männer vom Nebentisch zufällig Anwälte waren, hatten sie neben dem üblichen Gelächter und dem gewohnten Frohsinn gestern auch ein bisschen ernstere Gespräche.

Aber der Reihe nach. Gestern war es die Grete, die ein wenig später am reservierten Cafétisch eintraf als das Lieschen. Sie hatte in ihrem Übermut Fahrradstunts getestet, die wohl ursprünglich für jüngere Menschen erfunden wurden. Aber wie sie so ist, hat sie sich geschüttelt, den Spaß am Leben nicht verloren und ist weitergefahren. Wohl ein bisschen langsamer und vielleicht sogar ein wenig vorsichtiger. Jedenfalls kam sie mit Verspätung und wollte dafür und für den kleinen Unfall die Schuld auf sich nehmen. 

Da war sie bei dem katholischen Lieschen an der falschen Adresse. Die findet ja, es gibt keine Schuld. Oder wenn es sie doch gibt, dann sollte man sie nicht so nennen. Oder wenigstens den erniedrigenden Beigeschmack aus dem Wort filtrieren. „Nenn´ es Verantwortung und nimm die.“ sagte sie. „Ne“ sagte die Grete, lachte und betonte, dass SIE ja kein Problem mit diesem Wort habe. Recht hat sie, dachte die Liese und lachte auch. Aber damit war das Thema für den gestrigen Nachmittag nur kurz unterbrochen.

Als die Grete sich einige Zitronenrollen später über das Mannigurteil aufregte und immer wieder nach Gerechtigkeit rief, war es nicht nur die Liese, die sie stoppte. Einer der jungen Herren vom Nachbartisch, der, der sich vorher am deutlichsten über das Gelächter am reservierten Damentisch mokiert hatte, kam bei dem Thema offensichtlich in sein Element. „Wenn Sie die Politik in dem Fall mal außen vor lassen, dann ist das Urteil ok.“ „Wieeeeeeee? Ok?“ Die Grete sprang fast wie von der Tarantel gestochen auf. Lieschen weiß nicht, ob es an den Worten des Jünglings lag oder an der Tatsache, dass er sich ins Gespräch der nicht mehr ganz so jungen Damen einzumischen drohte. „Nach Aktenlage ok. Nach dem Gesetz ok. Nur darum geht es“. 

Da hättet ihr mal die Grete sehen sollen mit ihrer Schramme im Gesicht, das sich nun insgesamt noch rötete und ihrem mittlerweile fuchtelnden Arm. „Wollen Sie mir sagen, Sie Grünschnabel, Sie hätten an der Anklage mitgewirkt, wenn es möglich gewesen wäre???“ „Nein hätte ich nicht“ „Gottseidank!“ „Aber seien Sie mal nicht zu früh zufrieden. Ich bin kein Staatsanwalt. Ich bin Rechtsanwalt und ich habe schon Menschen verteidigt, die des Mordes angeklagt waren“. 

Mittlerweile saß die Grete wieder. Das war auch gut so. Denn es ging weiter. „Es waren bisher drei verschiedene Fälle. Alle freigesprochen.“ „Ja, wenn sie es nicht waren, ist das ja auch richtig so“ klammert sich die Grete an ihre Gerechtigkeitshoffnung. „Nenene“ triumphiert der junge Mann von nebenan. „Getan haben sie es wohl alle drei. Vermute ich. Weiß ich natürlich nicht sicher. Will ich auch gar nicht wissen.“ 
An dieser Stelle bestellte das Lieschen den grünen Tee für ihre Freundin. Nötig war er. Die Schramme im Gesicht hob sich kaum noch von der übrigen Gesichtsfarbe ab. 
„Meine Aufgabe ist es, so oder so, den Angeklagten zu verteidigen. Im Prinzip nach Aktenlage. Wenn die Beweise nicht reichen wird er freigesprochen. Fertig. Wenn die Beweise reichen, dann nicht.“ Grete stürzte den Tee in einem Rutsch, murmelte etwas das wie „dann laufen die Mörder also frei herum“ klang und Lieschen bekam ein bisschen Angst um Gretes Augäpfel, die aus den Augen zu fallen drohten. Als der junge Mann begann, detaillierter aus dem Nähkästchen des Gerichts zu plaudern, drehte sich die Grete einfach weg.

In dem Moment, in dem sie dem Lieschen ins Ohr flüsterte „ach hol ihn doch der Teufel mit all seinen Aktenlagenkollegen“ gab es diesen Schrei vom Nachbartisch. Angeklagt war eine Riesenbiene. Die Tat war wohl ein Stich in dessen Folge ein Arm abzufallen drohte und ob sie später vor Gericht von einem „guten“ Anwalt vertreten werden wird oder nicht, wissen weder die Grete noch das Lieschen.


Die haben sich nämlich, nachdem sie das Thema vom Tisch gewischt und die Anwaltrettungsaktion anderen Gästen überlassen hatten, noch einige Zeit prima miteinander vergnügt. Zum Problemewälzen ist so ein Mittwoch ja nun wirklich nicht gedacht.



Dienstag, 20. August 2013

Lieschen, der Fleiß, die Zuversicht und die Abwesenheit von Beidem

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 34 ---> guckst du hier

Lieschen weiß nicht, was sie heute täte, wenn sie jung und ohne Ausbildung wäre. Die Zeiten sind anders als damals. Die Menschen sind anders als damals. Und auch die allgemeine Vergangenheit und Zukunft aus heutiger Sicht erscheinen ihr weniger rosig als damals.

Lieschen selbst hat in Zeiten des Aufbaus das Licht und Dunkel dieser Welt erblickt. Sie wurde auf dem Küchentisch gewickelt, der von Erspartem gekauft war, teilte lange das Bett mit ihren Eltern und wartete gemeinsam mit ihnen auf  den Tag, an dem sich das Geld für die Waschmaschine in Kleinstbeträgen angehäuft hatte, sie gekauft werden konnte und das echte Kochen der Wäsche im Keller endlich ein Ende hatte. Sie trank den Fleiß und die Zuversicht mit der Muttermilch, die sie nicht abgepumpt sondern direkt an der Bar bekam und auch in der Schule vermittelte man ihr den Eindruck, dass sich konsequentes Lernen eines Tages auszahlen werde.
Ihre Eltern wollten, wie viele Menschen dieser Generation, die als Kinder noch den Krieg erlebt haben und in zerbombten Städten groß wurden,  dass sie es einmal besser haben sollte. 
So ermöglichten sie ihr eine lange Schul- und Ausbildungszeit. Mit dem Abitur hätte sie sogar studieren können. Damals noch in Ruhe und mit der sehr wahrscheinlichen Aussicht auf Anstellung danach.

Doch die Liese hat eine Ausbildung gemacht. Das hat ihr nicht gefallen, doch es war leicht, eine Lehrstelle zu bekommen. Sie hatte mehrere zur Auswahl. Die Gewählte hat sie aufgrund ihrer Erziehung natürlich die erforderlichen zweieinhalb Jahre durchgehalten. Sie hatte Vorbilder, die fleißig waren und ihr musste nicht erklärt werden, dass man, nicht nur wegen des Geldes, aber auch dafür, arbeiten muss. Das hat sie damals nicht in Frage gestellt. Und zu ihrer Zeit, vor viel mehr als dreißig Jahren, wurden fast alle Azubis, wie sie damals hießen, auch übernommen.

Heutzutage ist das alles anders. Lieschen beobachtet das im Grunde mit Argwohn und ist froh, dass sie weder Kinder noch Enkelkinder durch diese Zeiten in ihr selbständiges Leben begleiten muss.

Sie hat Mitgefühl mit den Schülern von heute, die in einer Welt des Überflusses, den man leicht auf Kredit bekommt und sich selbstverständlich auch auf Kredit „holt“, aufwachsen. Sie kennt nicht viele Schüler, denen in der Schule Mut gemacht werden kann, dass es für sie danach gut weitergeht. Sie weiß von einigen Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Verwandtschaft keine berufstätigen Menschen mehr haben und in der Gewissheit aufwachsen, dass sie von Beruf natürlich ebenfalls Hartz IV werden. Wer will ihnen das verübeln? Denkt die Liese.

Wenn ein solcher Jugendlicher dann Kevin heißt und vom Arbeitsamt zu Gretes Herrn Heber in die Firma geschickt wird, muss er natürlich außer der dort verlangten speziellen Tätigkeit noch ganz andere Dinge lernen. Von der Pieke auf. Er wird vielleicht vom grundsätzlichen Wert von Arbeit nichts wissen. Er wird vielleicht keine wirkliche Kenntnis über den Zusammenhang von Arbeit, Geld und Konsum haben und er wird möglicherweise nicht arbeiten können, weil es ihm noch niemand vorgemacht hat, seine Muttermilch Hartz IV transportierte und seine Tage nicht regelmäßig strukturiert wurden.

In Herrn Hebers Haut möchte die Liese aber auch nicht stecken. Er, der offensichtlich einen anderen Hintergrund hat, braucht einfach verlässliche Kollegen, die ihn im Übermaß der anfallenden Arbeiten entlasten. Und doch könnte gerade er ein wunderbares Vorbild für den vom Amt geschickten Kevin sein, der doch so dermaßen viel zu lernen hat.


Lieschen wird die Grete gleich anrufen und sie ermutigen, Herrn Heber zu ermutigen, dem Kevin eine Chance zu geben und ihm das Vorbild zu sein, dass er braucht. Vielleicht können die Grete und die Liese ja im Gegenzug die Hebers mit dem kleinen Kind ein bisschen entlasten. Erholung muss ja auch sein.





Montag, 19. August 2013

Lieschen, die Stimme, die Urne und das Misstrauen


Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 33 ---> guckst du hier

Heute hat die Grete das Lieschen mit der Vermutung, sie wüsste was die Grünen mit ihrem Slogan eigentlich sagen wollen, wieder einmal völlig überschätzt. Lieschen vermutet, dass sie weder etwas SAGEN oder FRAGEN wollen, noch etwas HÖREN wollen. Die Liese meint sie wollen lediglich etwas HABEN und dafür ist ihnen jedes Mittel Recht. Dafür nehmen sie einiges in Kauf. Sogar eine erschreckte Grete noch vor dem Frühstück.

Ein Kreuzchen wollen die Herrschaften, deren Namen sich auf der Liste befinden, die sich hinter den Plakaten verbirgt. Sie wollen, wie ihre andersfarbigen Kollegen auch, in die Regierung. Aus irgendeinem Grund glauben die nämlich immer noch, dass dann sie und nicht mehr die Banken und die Wirtschaft die Macht hätten. Vermutet die Liese. Oder liegt es nur daran, dass die Regierungsposten besser bezahlt sind als die Oppositionsposten. Oder ist das gar nicht so und sie hiepern alle nach Ministerposten? Oder erhoffen sie sich einfach nur die besten Plätze auf den Stehempfängen in der Hauptstadt?   

Wie auch immer. Das klappt nur, wenn sie genügend solcher Kreuzchen bekommen. Damit das genügend werden, haben die sich in der Bevölkerung mal umgesehen, festgestellt, dass es Menschen unterschiedlichsten Alters und Hintergrunds gibt. Und denen wollen sie jetzt Grüppchenweise weismachen, dass sie sich um deren Belange kümmern. In kurzen Sätzen.

Wäre die Grete alleinerziehende berufstätige Mutter und bereits bei jeder Menge KITAs auf den 100. Wartelistenplatz geschrieben worden, hätte sie vielleicht gejubelt über den „Hellokitaslogan“, in ihrer Verzweiflung geglaubt, dass die Grünen an dem gruseligen Mangel tatsächlich etwas ändern würden, falls sie genügend dieser Kreuzchen bekommen und dann noch von einer andersfarbigen Partei gebeten würden, ihnen zur benötigten Mehrheit zu verhelfen. Vielleicht hätte sie gejubelt und sich am frühen Morgen einen Knoten ins Taschentuch gemacht, um nur ja nicht zu vergessen, in ein paar Wochen die Grünen zu wählen.

„Die wollen deine Stimme, liebe Grete“ will das Lieschen rufen. „Die sollst du am 22. in eine Urne werfen.“ Lieschen könnte sich mal wieder in Rage reden. Zu oft schon hat sie in ihrer Naivität VorderWahlversprechen geglaubt und sich dann tatsächlich erschrocken als sie nach der Wahl sinngemäß hörte „ochnöwarnurSpaßvorderWahl“. 

Das Glauben hat sie sich wohl schon lange abgewöhnt und doch kann sie schon einige der Slogans und Kurzversprechen mitsprechen. Ob sie vielleicht insgeheim hofft, dass es eines Tages einen Politiker gäbe, der Ernst machte mit der Idee, das Leben „des Volkes“ noch vor seinem eigenen verbessern zu wollen?  Sie weiß, dass ein solcher keine Chance hätte , noch wesentlich länger als ein paar Sekündchen auf seinem Ministerstuhl zu sitzen, nachdem sein Ansinnen klar geworden wäre.

„Nenene Grete“ sagt sie. „Die wollen nix hören.“ Und leise fügt sie nochmals hinzu „Du sollst nur deine Stimme in die Urne werfen, damit sie sie beerdigen können. Mindestens für die nächsten vier Jahre. Da sind sie sich alle einig.“




Sonntag, 18. August 2013

Lieschen denkt sich in Teufels Küche und auch wieder raus

Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 32 ---> guckst du hier

Mannomann! Was durfte das Lieschen gerade lesen? Das Fräulein Grete ist geplatzt, Herr Heinevetter ist schwul und die Hausgemeinschaft wird ab sofort durch einen Arzt bereichert, von dem die Liese noch nicht weiß, welche sexuelle Ausrichtung der hat.

Aber mal zurück zum Anfang. Warum in Herrgottsnamen hatte die Grete dem Lieschen DAS noch nicht berichtet. Der wunderbare Wutausbruch gegenüber der guten Frau Karbach, die der Grete das Leben so lange dermaßen schwer gemacht hatte, wäre doch wirklich eine sofortige Meldung wert gewesen. Aber sie hat kein Wort darüber verloren. Nicht beim Kaffee, nicht am Telefon. Lieschen wundert sich. Sie hätte doch sofort ein Fest ausgerufen und der Grete zu dieser Maßnahme gratuliert. Oder nicht? Warum bloß erfährt sie es erst jetzt, so nebenbei? In Nebensätzen? Lieschen geht in sich und fahndet nach einem vermutlichen Grund für dieses lange Verschweigen.

Hätte sie vielleicht doch nicht jubiliert, sondern sinngemäß gesagt „schon wieder hast du zu lange gewartet. Du lässt dir viel zu lange viel zu viel gefallen, liebe Grete?“ Könnte es sein, dass die Grete vor solch besserwisserischen Worten aus Lieschen Mund, vielleicht sogar zu Recht, Angst hatte und sie sie ihr und sich ersparen wollte? Lieschen wird immer nachdenklicher und bemerkt erst in letzter Sekunde, dass sie beinahe wieder am Fingernagel gekaut hätte. Das macht sie nämlich gerne mal, wenn sie so ganz und gar in ihren Gedanken gräbt. Während sie den Finger also gerade noch rechtzeitig wieder vom Mund weg führt, glaubt sie an diese Möglichkeit, findet die Grete klug und sich selbst nicht mehr ganz so.

Es könnte auch sein, denkt sie weiter, dass sie ihr den Anlass vorgehalten hätte. Vielleicht hätte sie gelacht und gesagt „das ist ja interessant! So lange hast du den ganzen Klatsch und Tratsch ertragen und erst als sie DEINEM Herrn Heinevetter vorwarf, schwul zu sein, bist du in die Luft gegangen? Das ist ja lustig!“ Kann sein, dass das Lieschen so weit gegangen wäre. Ihr wäre dann nämlich vielleicht aufgefallen, dass sie noch niemals irgendetwas über die sexuelle Orientierung des Herrn Heinevetter aus GretesMund gehört hätte und spätestens dann hätte sie sich gewundert, warum wohl nicht.
Vielleicht hätte sie vermutet, dass die Grete ein Problem mit Homosexuellen hat, mit Homosexualität im Allgemeinen oder nur im Speziellen? Warum nur weiß das Lieschen so garnichts  darüber? Jetzt kennen sie sich so lange und noch niemals haben sie über Schwule, Lesben, Trans- und sonstwas Sexuelle gesprochen.
Während Lieschen immer sicherer wird, dass die Grete ihr das aus berechtigtem Selbstschutz nicht erzählt hat, wird sie immer kleinlauter. Da beschäftigen sie sich mit so viel Klatsch und Tratsch und wissen offensichtlich einiges nicht übereinander.

Lieschen selbst hat eine Menge Freunde, die gleichgeschlechtlich leben und lieben. Ihr war das niemals seltsam. Sie ist praktisch mit dem Wissen aufgewachsen, dass es jede Menge verschiedener Orientierungen gibt und das auch gut so ist. Sie ist froh, dass die gruseligen Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellten,  zumindest in Deutschland und vielen anderen Ländern abgeschafft wurden. Sie erschrickt mit schöner Regelmäßigkeit über anderslautende Berichte aus anderen Ländern. Gerade heute hat sie die Meldung über die Regenbogenfingernägel dieser Sportlerin gelesen, die auf ihre Art ein selbstverständliches Zeichen gesetzt hat und keinerlei offizielle Unterstützung erhielt. Und erschrickt jetzt über die Befürchtung, dass es für Grete sehr wohl einen Unterschied machen könnte, wer wen in welchem Körper liebt.

Lieschen beschließt, ihre diesbezüglichen Gedanken zu stoppen und Grete bei nächster Gelegenheit einfach zu fragen.
Sie selbst spricht aus dem Gefühl der Selbstverständlichkeit selten über die sexuellen Orientierungen ihrer Freunde, weil es ihr nicht wichtig ist. Nett sollen sie sein. Gut zum Lieschen passen sollen sie. Und so leben, dass sie glücklich sind. Das sollen sie auch.

Vielleicht, so denkt das Lieschen jetzt, handhabt die Grete das genauso und sie hat ihr mit all den gedanklichen Vermutungen übelstes Unrecht angetan. Lieschen seufzt über sich selbst, steht auf und geht zum Telefon. Sie wird die Grete jetzt fragen.

Auch um zu erfahren, für wen der neue junge Mann im Haus wohl interessanter werden wird. Für sie, für Herrn Heinevetter oder für beide?





Samstag, 17. August 2013

Lieschen schwillt manchmal der Kamm



Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 31 ---> guckst du hier

Das Lieschen ist auch allergisch. Aber nicht so wie die Grete gegen ihre Lieblingsspeise. Nudeln, Gemüse und Obst bekommen ihr prima. Aber manche Menschen und Situationen lassen ihr wohl nicht die Zunge, aber den Kamm schwellen. Gottseidank muss sie mit dem geschwollenen Kamm aber in keine Notaufnahme. Da muss man nämlich immer ewig lange warten, wenn man nicht mit dem Notarztwagen an den dort Wartenden vorbei manövriert wird.

Lieschen hat das schon erlebt. Warten und Warten und Warten. In ziemlich vermasseltem Zustand und anderen Wartenden, die sich so wie sie in ihrer jeweils eigenen Art die Wartezeit und die damit verbundenen Ängste vertreiben oder es zumindest versuchen. Da hat die Liese einiges beobachtet und erlebt, dass zu ihrer gewohnten allergischen Reaktion führte.

Ein sehr alter Mann mit offensichtlich starken Herzbeschwerden wurde von seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar gestützt auf einen der wenigen freien Stühle begleitet. Er schien Schmerzen zu haben und machte sich, aus Lieschens Sicht verständlicherweise Sorgen. Dem beginnenden Gespräch, das über diesen Mann hinweg geführt wurde, entnahm die Liese, dass es bereits die Diagnose des Hausarztes gab, die besagte, dass wohl eines Tages ein Herzschrittmacher vonnöten sein würde. Zum Zeitpunkt der Diagnose lag der vom Arzt prognostizierte Eingriff noch in weiter Ferne. Doch es hatte nicht lange gedauert bis es zu den Beschwerden kam, die ihn nun in die Aufnahme des Krankenhauses brachten. 
Gerade als die Liese sich fragt, ob wohl die „Androhung“ der Operation dazu geführt hat oder vielleicht auch …, werden ihre Gedanken durch eine laut und detailliert vorgebrachte Rechnung des den Kranken begleitenden Herren  unterbrochen. „Bei mir hat es ja der Chefarzt gemacht. Privatversichert zahlt sich nun mal aus. Das muss schon sein. Und auch meine Titel werden das Übrige bewirkt haben.“ Lieschen glaubt ihren Ohren nicht zu trauen. Der alte Mann mit den Beschwerden sieht nicht so aus, als sei er privatversichert. Er schaut so flehend zwischen dem Boden und dem Sprechenden hin und her, dass Lieschen nicht weiß, was schlimmer ist. Ihr eigenes Problem, ihr schwellender Kamm oder ihr Herz, das bei diesem Anblick zu brechen droht. Der stehende privatversicherte und sehr laut sprechende Herr fährt tatsächlich fort. „Insgesamt hat es ja 160.000 Euro gekostet. Alles drum und dran. Brauchte ja auch seine Zeit. Nicht nur das Gerät hat seinen Preis. Auch der Arzt will ja bezahlt sein. Hat sich aber gelohnt. Die Betreuung ist natürlich vorbildlich. Privat.“ Es dauert nicht lange und Lieschen erhält die Bestätigung ihrer Vermutung. Die Frau des Kranken murmelt mitten in die Ausführungen des Herrn, der mit geschwellter Brust doziert „ja du. Wir sind Kasse.“ Sie tätschelt ihrem Mann den Arm und seufzt. Sie ist auch nicht mehr die Jüngste und verständlicherweise ebenfalls sehr in Sorge.

Die beiden mit ihrer Begleitung mussten, wie die Liese auch, noch weitere zwei Stunden warten. Wurden von niemandem ver- oder getröstet und haben viele Notarztwagenpatienten an sich vorbeiziehen sehen. Was für den Herrn mit dem Herzschrittmacher im Wert eines Einfamilienhauses immer wieder Anlass zu Berichten im Stil von „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ und „mit mir in meiner Stellung ginge das so nicht“ und noch manch andere Bemerkungen war, die in der Liese und vielleicht auch in anderen schlimmste Allergien verursachten.

Als er der Vermutung Ausdruck verlieh, dass `das hier ja wohl nichts gäbe und man hier als Patient wohl dem Tode geweiht wäre´ und die ohnehin schon angsterfüllten alten Menschen auf ihre stille Art noch erschrockener wirkten, hat sich die Liese zu den beiden gehockt und ihre Hände gehalten. Das war für alle ein wenig beruhigend.

Als der Herr Gottseidank auf die Idee kam, sich, und natürlich nur sich, einen Kaffee zu holen und mal nach was Essbarem zu schauen (für sich) atmeten alle auf, Lieschens Kamm schwoll ab und sie hatte die Gelegenheit MIT den beiden Alten zu sprechen und vor allem, ihnen zuzuhören. 


In Lieschens Allergiefall reicht es zur Heilung, wenn sich das Allergen oder sie selbst aus der Situation weg bewegt.  Eigentlich leicht. 

Im Falle des herzkranken alten Mannes haben die kassenbezahlten Ärzte ihr bestes gegeben und ihm wurde ähnlich gut geholfen wie der Grete heute.



Freitag, 16. August 2013

Genug ist genug!

Antwort zu Fräulein Grete Meiers Post Nr. 30 ---> guckst du hier

Heute hat Lieschen keine Lust zu schreiben. Nix über Urlaub und nix über Urlaubsländer in denen Krieg herrscht. In Lieschen selbst herrscht Krieg. Sie ist wütend. Zum 100sten Mal wütend über ein und dieselbe Sache. Sie trifft klare Verabredungen mit der verhuschten Nachbarin und die versetzt sie. Nicht einmal. Nicht zweimal. Dutzende Male. Bereits über Jahre.  Nicht dass sie irgendetwas daraus lernen würde. Nein. Immer wieder glaubt sie, diesmal wird es anders. Diesmal wird sie sich an die Verabredung halten und Lieschen nicht warten lassen. Immer wieder ist die Liese guten Glaubens. „Wie blöd von mir. Wie unsagbar blöd von mir“ ruft sie immer wieder in den Raum, in dem nur sie sich befindet und haut sich mit jedem Mal ein bisschen stärker und insgesamt wesentlich zu stark an den eigenen Kopf.

Wie oft hat die Dame aus der Nachbarschaft schon gesagt „ich melde mich nachher nochmal“ und hat es nicht getan. Auch nicht am nächsten Tag. Wie oft hat sie gesagt „Wenn es später wird, melde ich mich“ und es nicht getan. Wie oft hat sie Nachrichten nicht beantwortet. Lieschen ist naiv. Sie hält sich in solchen Situationen bereit. Sie glaubt den Menschen. Auch wenn sie weiß, dass die sich oft nicht vorstellen können, dass jemand ihre Aussagen ernst nimmt. Vermutlich weil sie es selbst nicht tun.

Sie weiß, dass das nicht aus bösem Willen geschieht. Sie weiß, dass die Frau Nachbarin zu viel zu tun hat um sich um solchen Kleinkram zu kümmern wie Lieses Wartezeit. Sie weiß, dass sie es einfach vergisst. Vielleicht weil sie es nicht so wichtig findet. Aber Liese möchte so nicht behandelt werden. Und noch wichtiger. Lieschen will sich nicht länger selbst so behandeln.

Sie selbst ist so gestrickt, dass sie, wenn sie mit anderen Menschen Verabredungen trifft, sich daran hält oder rechtzeitig Bescheid sagt, dass sie sich nicht daran halten kann, will oder wird. Dann weiß der andere Bescheid und hat seine eigene Zeit wieder für sich zur Verfügung und/oder die Möglichkeit, mit der Liese zu verhandeln und möglicherweise was anderes zu verabreden. Das ist nämlich kein Problem. Die Liese ist super in Verhandlungen.

Beim nächsten Mal wird sie sagen „Das war‘s. Lange genug probiert.“ Wird die Nachbarin das verstehen? Nein. Glaubt die Liese. Muss sie es ihr deshalb erklären? Und wenn ja, wie oft noch?
Lieschen will sich nicht mehr fragen, ob SIE einen Fehler gemacht hat, wenn sie versetzt wird. Lieschen will nicht mehr dauernd Verständnis für die anderen aufbringen, aber für sich selbst nicht. Sie möchte mit Respekt behandelt werden und sie möchte es mit Menschen zu tun haben, auf die sie sich verlassen kann. In Zukunft will sie keinen Krieg mehr führen, weder gegen andere noch gegen sich selbst. Wenn es wieder vorkommt, wird sie sich zurückziehen, die Liese. Genug ist genug, sagt sie sich jetzt in bereits fast gewohnter Ruhe. Die Wut ist verflogen. Die Erkenntnis bleibt.


Oder ob sie das alles zum hundertsten Mal vergessen und so wie Gretes Susi einen Shoppingtrip in fernen Landen planen soll? Konsumieren lenkt ja so schön ab. „Aber nein!“ sagt die Liese. „Genug ist genug und ohne Krieg im Inneren ist es zu Hause so schön wie überall“.



Donnerstag, 15. August 2013

Lieschen gewöhnt sich mitten im Gewohnten um

Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 29 ... guckst du hier

Das Lieschen ist noch ganz beglückt. Was war das wieder ein schöner Nachmittag. Angefangen hatte alles wie immer. Lieschen kam ein bisschen zu spät. Grete saß schon geschniegelt und gespornt auf dem stets reservierten Platz. Die Sonne schien. Gretes Rad klebte schräg am Sonnenschirm und drohte wie immer beim nächsten Windstoß umzufallen. Grete ist nämlich immer etwas in Eile. Auch wenn sie Zeit hat. Zum Beispiel weil Lieschen noch gar nicht da ist. Deshalb schließt sie das Rad quasi noch im Fahren irgendwie an den Schirm. Bis jetzt hat es erstaunlicherweise immer gehalten. So auch gestern. Es war alles so wie immer. Begrüßung. Bestellung. Überfüllter Tisch. Neugierige Augen und Ohren von den Nachbartischen und sich permanent bewegende Liese- und Gretemünder und zusätzlich Lieschens schlimm vermasselte Frisur.

Mit Händen und Füßen hatte sie sich gegen diesen Fahrradhelm gewehrt. Aber Hermann war hart geblieben. „Die Saxonette kriegst du nur mit Helm! Wenn du den nicht anziehst, kannste ja zu Fuß gehen oder wie sonst mit der Bahn fahren!“ Lieschen hat versucht zu verhandeln. Sie hat verschiedenes geboten. Auch Dinge und Ereignisse, die der Hermann mag.  Aber ohne Erfolg. „Hätteste halt dein Fahrrad nicht umhäkelt und zur Skulptur gemacht, könnteste jetzt mit dem Rad fahren. Saxonette gleich Helm!“ Hermann meinte das fürsorglich. Doch Lieschen findet Helme doof. „Saxonette gleich Helm gleich gruselige Haare! Iiih!“

Sie hat also die Verhandlungen verloren, aber eine Fahrt mit der Saxonette gewonnen. Diesmal ging alles gut und im Café war, wie gesagt, dann bis auf ihre Frisur alles beim Alten und wie immer. Gottseidank. Lieschen liebt das nämlich. Alles wie immer. Aber dann! Grete hat es ja schon erzählt. Von einer Sekunde auf die andere blieben den beiden die Münder offen stehen. Diesmal ohne dass Wörter herauspurzelten.

Ein weiteres Fahrrad am Sonnenschirm und die Fahrradfrau! Lieschen war geschockt. Erst mal. Sie kann sich nämlich nicht so gut umstellen. Nicht wirklich gut von einem Moment auf den anderen. Da ist sie immer erst mal ein bisschen wortkarg. Während sie sich an die neue Situation gewöhnte, hat die Grete der netten Frau mit dem sehr coolen Fahrrad in Windeseile – die Grete kann sehr schnell sprechen – bereits die gesamte gemeinsame Lebensgeschichte der beiden Freundinnen erzählt. Und die Geschichte ist lang.

Mittendrin ist dann auch unser Lieschen wieder ins Geschehen eingetreten und hat sich von Moment zu Moment mehr gefreut. So was Nettes! Sie kannte sie ja bisher nur virtuell. Nur Fotos und geschriebene Wörter. Im Café stellte sie fest, dass sie ihr auch optisch gefiel und zusätzlich eine wirklich schöne Stimme hat. Und ihr Lächeln gefiel ihr. Und ihr Lachen. Das passte gut zu Grete und Liese. Und zum Mittwoch im Café.

Während Grete ihren Bericht dann doch zum Ende brachte, genoss das Lieschen den Besuch von Stunde zu Stunde mehr und lauschte dann der Erzählung der Fahrradfrau, die geduldig alle Fragen von Grete beantwortete. Es ist spät geworden. Gestern. Später als sonst. Aber auch noch ein bisschen schöner als sonst.


Schade findet das Lieschen nur, dass sie ihr manche Frage nicht stellen konnte, weil sie ihr erst nachträglich eingefallen ist. Vielleicht bekommt sie ja doch noch einmal die Gelegenheit. Schön wär‘s, denkt sie heute. Aber das hat noch ein bisschen Zeit. Denn wenn es zu einem weiteren Treffen mit der Fahrradfrau käme, dann will die Liese auch mit dem Rad kommen. Einem ohne Motor und ähnlich wunderbar dekoriert wie das ihre. 
Vorsichtshalber wird sie sich eins besorgen, die Liese. Und dekorieren wird sie es. Aber nicht in Gelb. Es muss ja nicht alles gleich und wie immer sein. Manches muss abweichen. Ja. So ist das!


Und das sagt die Fahrradfrau dazu! Hier geht es direkt zum Post
Noch einmal herzlichen Dank!



Dienstag, 13. August 2013

Lieschen und die einst lebenden und jetzt toten Hunde

Die "Antwort" zu Post Nr. 28 von Fräulein Grete Meier ---> "klickst du hier"

Lieschens letzter Hund war auch ein Bürschli, so wie der von Gretes Berta. Er hieß aber anders.
14 Jahre hatte er mit dem Hermann und der Liese zusammen gelebt. Und ausgesucht hatte er sich diese Gesellschaft als ganz kleiner Knirps selbst. Die Liese hatte nur mit einem Blick zum Himmel gesagt, wenn unsere Dunja, das war die Hündin der Familie, eine Gesellschaft braucht, die auch vier Beine hat, dann soll sie hier auf dem Grundstück auftauchen. Sie selbst fand es zu schwer, aktiv die Entscheidung zu treffen und der Hermann fand ja eh, dass ein Tier reicht.

Es dauerte keine 4 Wochen und die Antwort auf die Hundegesellschaftsfrage war da. Lieschen kam nach Hause und auf der Treppe saß ein kleiner süßer Hund, der genauso aussah wie ihr allererstes Stofftier, das Foxi hieß. Also nannte sie den Knirps in ihren Gedanken ab sofort Foxi, musste aber mit ansehen, dass er viel zu scheu für menschlichen Kontakt war. Um die Geschichte kurz zu machen, es dauerte weitere 4 Wochen, in denen Foxi sich immer in der Nähe des Hauses aufhielt, von Tag zu Tag näher kam, nachts unbeobachtet das hingestellte Futter  aß und eines Tages als „gezähmt“ gelten konnte. Was hieß, dass er sich anfassen ließ und nach und nach zutraulich wurde. Erst zu Dunja, dann auch zu den Menschen.

Seine latente und vermutlich berechtigte Ängstlichkeit – Lieschen und Hermann wissen ja nicht, was er in seinem ersten Lebenshalbjahr bereits erlebt hatte, sah aber in den Auswirkungen nicht gut aus - verlor er erst in seinen letzten Lebensjahren. Er hat sowohl die große schwarze Hündin als auch beide Menschen als Chefs anerkannt, war so wundervoll treu, dass es der Liese noch jetzt ein Tränchen beschert und hat, nachdem er seine Trauer über den Tod seiner Gefährtin Dunja nach einigen Jahren überwunden hatte, seinen Platz als verwöhnter Haupthund im Haushalt prima ausgefüllt.

Die Entscheidung über Dunjas Tod hatten Lieschen und Hermann nachträglich betrachtet zu lange herausgezögert. Sie hat, so sagt die Liese heute, vermutlich zu lange gelitten. Zum Schluss konnte sie sich kaum noch aufrichten, hat es aber immer wieder unter Anstrengung versucht. Schließlich wollte sie offensichtlich nicht zu viel „Sauerei“ hinterlassen und auch an allem teilhaben. Sowohl Hermann als auch Liese haben mit ihr gelitten, waren aber lange nicht in der Lage, die Entscheidung, sie zu erlösen, also einschläfern zu lassen, zu treffen. Stattdessen sagten sie eines Abends, sie darf so lange leben wie sie mag und kann. Auch wenn wir danach komplett renovieren müssen. Am nächsten Morgen schied sie große Mengen von Blut aus und der Tierarzt nahm allen die Entscheidung ab. Oder war sie es selbst gewesen?

„Das war ein sehr sehr trauriger Tag“ sagt die Liese heute und auch, dass sie froh war den kleinen Knirps noch in ihrer Nähe zu haben. Das blieb auch noch einige Jahre so. Der kleine Kerl war im Grunde immer putzmunter und gesund. Bis zu dem Tag, an dem er wahnsinnige Krämpfe bekam und immer wieder schreiend und hechelnd so etwas wie Purzelbäume schlug. Gruselig. Erst mit großen Pausen, dann in rascher Abfolge. 
Lieschen und Hermann haben wieder mitgelitten und am dritten Tag nach einer schrecklichen Nacht haben sie ihn, im Wissen, dass es seinen Tod bedeuten wird, zur Tierärztin gebracht. Er ließ sich kaum halten und die Ärztin, die die häusliche Diagnose am Telefon noch bestritten hatte, hat ihn angesehen, nur noch kurz untersucht und gesagt „Hirntumor oder Schlaganfall. Meine dringende Empfehlung: erlösen Sie ihn“. 

Während mir Lieschen die Geschichte erzählt, weint sie noch einmal ein bisschen. „Du warst ein Guter“ hat sie ihm noch sagen können, während sie ihn in den Tod streichelte. Dann haben die Spritzen gewirkt. 

Lieschen sagt, sie sei froh, dass es so eindeutig war, dass sie ihn manchmal noch vermisst, aber auch sehr froh über die gewonnene Freiheit ist.


Die Berta wird ihre Trauer auch eines Tages überwinden, sagt das Lieschen. Es ist der Lauf der Welt. Mit der Geburt ist der Tod sicher. Klug ist, wer die Zeit dazwischen genießt. Seine eigene und die mit den anderen, die alle jederzeit auf irgendeine Weise abhanden kommen können. Lieschen selbst hangelt sich an dieser Weisheit durch ihr Leben und fährt ganz gut damit.




Montag, 12. August 2013

Lieschen und das Lernen

(Die "Antwort"  zu Post Nr. 27 von "Fräulein Grete Meier" -> Klick:)

Lieschen lernt gerne. Aber sie hat auch Glück. Seit vielen Jahren darf sie sich aussuchen, was sie lernen möchte. Nicht so wie die Grete, die zu Seminaren geschickt wird, die sie nicht so dolle interessieren und zu denen sie eigentlich keinen Bezug hat.

Lieschen interessiert sich erst mal für „alles“, hört sich viel an und filtert dann das heraus, was sie gebrauchen kann. Darauf kommt es doch an? Oder nicht? Hermann sagt "Ja" und lernt die Funktionsweisen von Vergasern Motoren und vielem anderen, in dem er sie auseinander- und wieder zusammen baut.

Interesse ist es doch, dass einem hilft, Schulungsinhalte aufzunehmen, in sich zu bewegen und möglicherweise im praktischen Alltag anzuwenden. Das sagt auch der Herr Precht. Der neue Robin Hood der Schulkinder. Er will die Kinder in ihrem eigenen Rhythmus lernen lassen. Ihnen eigene Verantwortungen lassen und ihre Kreativität beim Lernen einbeziehen. Das findet die Liese super. 

Sie hat nämlich viel Mitleid mit den Kindern der Nachbarschaft. Wenn sie sie am Nachmittag mit hängenden Schultern und viel zu schweren Ranzen aus der Schule kommen sieht, möchte sie ihnen am liebsten die Taschen von den Schultern reißen und alle zu Spielen und Sein in der Natur einladen. Aber nein. Die Hausaufgaben müssen gemacht werden. Irgendwelche anderen Unterrichte müssen besucht werden. Pläne sollen erfüllt werden und die Mütter sorgen zwischen ihren Nervenzusammenbrüchen dafür, dass kein Kind ausbricht. Schließlich müssen die Noten gut werden, hört das Lieschen von überall. Für die Zukunft. Was soll sonst aus dem Kind werden?

Ja. Denkt dann die Liese. Was soll aus so einem Kind werden? Aus einem Kind, das nur was WERDEN soll, aber jetzt nicht einfach SEIN darf? Zwang und Angst haben ja bislang noch weder  Interesse noch eigene Ideen hervorgebracht? Oder doch?

Raum für eigene Ideen wünscht sie den Kindern von heute. Zeit wünscht sie ihnen. Sie hätten so viele Möglichkeiten, ihren Interessen entsprechend an Informationen zu gelangen und sie einfach und lernend anzuwenden. Das könnte jetzt in  ihnen so viel Freude und Erfüllung wecken, dass es sie sicher und vertrauensvoll in die eigene Zukunft tragen könnte.

Lieschen hat von einem Schüler gehört, der bis er 15 war keiner sein musste, der nur seinen Interessen nachgehen durfte und der es geschafft hat mit einem sehr kurzen Schulbesuch von nur einem halben Jahr den Realschulabschluß zu machen. Der Junge hatte Lernen gelernt, musste keinen Widerstand leisten und macht ihr einen sehr lebendigen Eindruck.

Lieschen wünscht auch der Grete, dass sie sich Seminare aussuchen kann, die sie wirklich interessieren und in ihren eigenen Augen für ihre Persönlichkeitsentwicklung und den Job sinnvoll sind. Was würde sie dann wohl lernen wollen?


Oder wäre es wichtiger den Chef mal in ein Seminar zu schicken, in dem er lernt, besser zu lügen oder vielleicht gar einfach NEIN zu sagen, wenn er keine Lust zu etwas hat?