Montag, 25. November 2013

Ende gut. Alles gut. Brigitta verabschiedet das Lieschen

Ihr Lieben,

nun ist es soweit. Das gemeinsame Projekt von Perdita Klimeck und mir, Brigitta Wullenweber hat sich mit dem 100. Post dem Ende zugeneigt.

Nichts im Leben dauert ewig. Und für mich schon gar nicht. 
(Die, die mich kennen, wissen das bereits *gg)

Dass ich meine Mitwirkung an diesem Projekt beenden werde, weiß ich schon seit längerer Zeit. Damit Perdita genügend Zeit hatte, sich zu überlegen, ob und wie sie weitermacht und um diesem schönen Projekt ein adäquates Ende zu geben, war klar, dass erst bei 100 Lieschenposts wirklich Schluss ist.

Das ist jetzt vollbracht. Und ich bin sehr erstaunt, dass mir ohne wesentliche Wiederholungen immer wieder etwas mehr oder weniger Substanzreiches zu „Gretes“ Themen eingefallen ist.

Ich verneige mich vor Euch Lesern, die Ihr diese Textfülle mit so geduldigem Interesse begleitet und in vielen Fällen auch noch kommentiert habt. Herzlichen Dank!!!

In ein paar Wochen wird es das E-book „Doppelt gebloggt hält besser Band 2“ zum kostenlosen Download geben. Perdita ist mitten in der Übertragung und Lektorierung der Texte. Alleine meinen Texten die richtige Satzzeichenverteilung zu verpassen, dauert ja. *gg
Wenn sie fertig ist, braucht es aus technischen Gründen noch etwa 2-3 Wochen bis es in den Shops ist.

Wenn es zum Download bereit steht. Werde ich das selbstverständlich hier bekannt geben.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge verabschiede ich mich jetzt hier vom Lieschen Müller und den Geschichten, mit denen ich sie so zum Leben erweckt habe, wie Ihr sie hier kennengelernt habt. Sie „gehört“ jetzt wieder allen und niemandem.

Dieser Blog bleibt bestehen. Wer also Lust hat, den ein oder anderen Text in diesem Format noch einmal nachzulesen ist herzlich eingeladen. Es kommen nur keine neuen Texte hinzu.

„Grete“ wird Euch weiterhin an „ihrem“ Leben teilnehmen lassen. Die Texte findet Ihr wie bisher auf ihrem Blog.

Ich habe schon begonnen, eine Reduktion meiner FacebookundBlogrundenzeit in meinem Leben zu etablieren. Kann sein, dass diese Reduktion in einer klaren Pause endet. Mal sehen. (Das wäre dann die Erklärung dafür, falls ihr meine bisher üblichen Blogbesuche – mit und ohne Kommentar – vermissen solltet).

Ihr wart prima LeserInnen und ich habe seit dem 13. Juli, meinem begeisterten Start in das „Abenteuer Lieschentexte“ viel Spaß gehabt und einiges über mich gelernt. Auch prima.

Lasst es Euch gut gehen und nochmals herzlichen Dank für die Begleitung bis hierher.

lieben Gruß
Brigitta Wullenweber

Und last but not least natürlich ein herzlicher Dank an Perdita!
Es war ein prima Projekt!
Viel Freude weiterhin mit deiner Grete!


(wenn Ihr aufs Bild klickt wird es größer)

guckst du auch
Perditas Abschluss- und Startpost!

Lieschen ist doch flexibel und hat auch zu tun

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 100 ---> guckst du hier

Im ersten Moment hatte das Lieschen ja Mitgefühl mit Grete und ihren Kollegen. Von jetzt auf gleich in eine solch anstrengende Woche zu starten, erschien dem Lieschen als ein schweres Los. Dass die Firma auf der Kippe stand, hat sie ja eben zum ersten Mal gehört. Die Grete hat sie dann beruhigt und unter Lachen erzählt, dass sie alle froh sind, dass sie eine Gratifikation bekommen können und vor allem, dass ihre Arbeitsplätze erst einmal gesichert sind. Das hat die Liese dann natürlich verstanden und sich auch ein bisschen von Gretes guter Laune und ihren lustigen Erzählungen anstecken lassen.

Trotzdem denkt sie, dass von Arbeitnehmern heute viel verlangt wird. Die mittlerweile üblicherweise geforderte Flexibilität hätte das Lieschen gar nicht mehr. Denkt sie jedenfalls. Oder ist es vielleicht auch nur ihre Unfähigkeit zum Arbeitnehmertum? Lieschen wäre wohl kaum noch in der Lage, sich einem Arbeitgeber unterzuordnen. Vielleicht, so denkt sie dann, wäre sie schon noch ziemlich flexibel. Nur eben nicht im Betrieb eines anderen. 

Fast ihr gesamtes Erwachsenenleben lang war die Liese ja selbstständig. Keine Unternehmerin, aber selbstständig. Da hat sie natürlich meistens rund um die Uhr gearbeitet und von regelmäßigen Urlauben oder so Zeugs, das für Arbeitnehmer ja doch immer noch ziemlich selbstverständlich ist, lange Zeit nur träumen können. Aber sie wusste immer für wen sie es macht. Für sich oder für den Hermann und sich. Sie musste mit niemandem über Vorgehensweisen diskutieren und fühlte sich immer frei. Das ist dem Lieschen ja wichtig. 
Immer gab es einen Grund und ein Ziel für ihr Engagement. Und wenn es den nicht gab, hat sie einen Gang runter geschaltet. In Lieschens Fall ging es da immer sowohl um finanzielle als auch um inhaltliche Gründe und Ziele. Sie könnte sich vorstellen, dass es einem möglichen Chef vielleicht auf die Nerven gehen würde, wenn sie bei jeder Arbeit nach dem Sinn für sich, für ihn, für die Firma, für die Kunden und so weiter fragen würde. Während die Liese sich das vorstellt lacht sie sich fast kaputt und ist umso froher über ihr Leben, in dem sie selbst entscheiden kann und in dem sie sicher ist, dass aller Unsinn und jeder Fehler, der ihr unterläuft, auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist. Eine prima Sache. 

Und doch beneidet sie manchmal die Grete, die in ihrem Beruf so völlig aufgeht und nur wenig infrage stellt. Wahrscheinlich einfach, weil es ihr dort Freude macht. Das ist ja vielleicht sogar die Hauptsache. Und Gottseidank sind ja nicht alle Menschen gleich. Sonst hätte Gretes Chef ja heute niemandem gehabt, der „ihm den Arsch retten“ könnte. Über diesen Gedanken, so formuliert, muss sie schon wieder lachen und ist sich natürlich auch wieder sicher, dass sie genügend flexibel ist. Sowohl körperlich, dafür macht sie schließlich genügend Gymnastik, als auch mental und überhaupt.


Und diese Flexibilität braucht sie ja jetzt auch wieder. Gottseidank ist der Grund dafür ein wunderbarer und Gottseidank winkt ihr eine Menge Freude und eine gute Zeit. Da ist sie sicher. Ein bisschen schade findet sie schon, dass sie  es der Grete eben am Telefon nicht erzählt hat. Aber sie wollte sie in ihrer Euphorie auch nicht von sich aus unterbrechen und gefragt hat sie schließlich auch nicht. Eigentlich trägt das Lieschen ja das „Herz auf der Zunge“. Im Normalfall hält sie ja kaum etwas zurück. Und schon gar nicht so etwas Wichtiges. Aber diesmal ist es ihr vielleicht sogar ein bisschen Recht, dass die Sprache noch nicht darauf gekommen ist. Vielleicht ist es in diesem Fall auch gut, wenn sie sich vorher überlegt, wie sie es der Grete erzählt. Vielleicht ist es am besten, wenn sie nicht sofort mit der Tür ins Haus fällt. 

Gottseidank hat sie ja bis zum Sonntagskaffee bei ihr noch genügend Zeit, sich einen Plan zu machen. Als sie das denkt, lacht sie wieder laut vor sich hin, die Liese. Sie und ein Plan für die Vermittlung einer Information ist schon eine lustige Vorstellung. Auch für sie selbst. Sie beschließt also das vermutlich einzig Richtige und lässt ihre Überlegungen los. Schließlich hat sie selbst noch mehr als genug zu tun bis zum nächsten Sonntag. Nur kurz denkt sie noch „Menschenskinder, wird die Grete Augen machen“, glaubt aber im Grunde daran, dass auch in diesem Fall das Leben dafür sorgen wird, dass alles gut wird.




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Sonntag, 24. November 2013

Das Lieschen hat mit Weihnachten nix am Hut

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 99 ---> guckst du hier

Das Lieschen hat mit Weihnachten nichts am Hut. Auch die Adventszeit ist ihr wurscht. Und natürlich dekoriert sie auch nicht adventlich oder weihnachtlich. Allerdings dekoriert sie sowieso nicht. In keiner Jahreszeit. Lieschen liebt die klaren Räume. Ausnahme ist ihr Bastelzimmer. Ansonsten braucht sie den klaren Überblick. Und außerdem wäre ihr die Deko, die sie am 1. Advent im Raum verteilen würde, spätestens am 2. Advent schon langweilig, weil alt. Lieschen wundert sich oft die Aktivitäten ihrer Mitmenschen. Ihre puristische Großmutter hat über das, was sie Dekorationswahn nannte, gesagt: „Rein inne Kartoffeln und wieder raus ause Kartoffeln. Ist doch Quatsch.“ Meint das Lieschen auch, findet allerdings, dass es jeder und jede so machen soll wie er oder sie es schön findet.

Lieschen hat einfach keine romantische Ader. Der Hermann Gottseidank mittlerweile auch nicht mehr. Als sie sich kennenlernten, mochte der Hermann Weihnachten und auch Kerzen und Gedöns. Aber dann hat er mit dem Lieschen zusammen, das damals selbstständige Geschäftsfrau und aufs WeihnachtsGESCHÄFT angewiesen war, die Adventszeit und den sogenannten Heiligen Abend erlebt. Das hat ihm auch den Spaß verdorben. Von Tag zu Tag wurde seine Liese, alle Jahre wieder, gestresster und die Geschichten, die sie über gestresste geschenkekaufende Menschen erzählte wurden auch immer gruseliger. Je näher es aufs Fest zuging, desto gehäufter traten Menschen auf, die irgendwas für einen bestimmten Betrag kaufen wollten, das aber im besten Fall nach mehr aussehen sollte. Die gleichen Leute erzählten der Liese, dass der zu Beschenkende ja im Grunde alles hätte und es sowieso so schwierig sei, seinen Geschmack zu treffen. Manche hatten richtig Angst vor demjenigen, für den sie kauften. 

Das Lieschen hätte in vielen Fällen gerne gesagt: „Lass es doch! Kauf doch nix!“ fühlte sich aber damals abhängig vom Umsatz. Und war es auch. Gottseidank ist es ihr gelungen, weitgehend unabhängig von so etwas zu werden. Gelungen ist ihr das nicht durch einen Lottogewinn sondern vor allem durch Sparsamkeit. Irgendwann hat sie sich gesagt, wenn ich mir das nicht mehr antun will und wenn ich so etwas nicht unterstützen will, dann muss ich meine Kosten reduzieren. Hermann hat genauso gedacht und so ist es ihnen gelungen. Erst durch Verzicht und bald schon in der Gewissheit, dass sie tatsächlich nicht viel brauchen und die Zeit miteinander wesentlich wertvoller ist als jeder Cent für den sie dann kaufen, was sie oder der Beschenkte nicht brauchen. Die beiden schenken sich auch untereinander nichts. Außer vielleicht Zeit. Davon haben sie ja genug. Das ist sehr entspannend.

Also. Lieschen ist kein Weihnachtsfan. Jedenfalls keiner des üblichen Weihnachtens und wie es üblicherweise in den meisten Familien begangen wird. Überquellende Gabentische, vielleicht noch auf Pump finanziert und Streit am (gefälligst) „schönsten Tag des Jahres“. Eine Veranstaltung anlässlich dieses Festes findet sie aber wunderbar. Die Ankündigung dieses riesigen Events treibt ihr jedes Jahr aufs Neue die Tränen in die Augen. Und die Bilder vom Tag kann sie sich kaum ansehen, so anrührend findet sie die. 

Frank Zanders Weihnachtsessen für die Obdachlosen seiner Stadt findet sie phänomenal. Wenn sie das richtig verstanden hat, sind es fast 3000 Menschen, die mittlerweile zum Essen eingeladen werden. Fünf Doppeldeckerbusse holen die Obdachlosen ab und bringen sie ins Hotel, wo die Veranstaltung stattfindet. Alle können sich satt essen, frisieren lassen, bekommen Geschenke, die sie wirklich gebrauchen können und vor allem, werden sie an diesem Tag geschätzt und aufmerksam und liebevoll behandelt. Wenn  Weihnachten so etwas Besonderes im großen oder kleinen Stil hinbekommt, dann findet die Liese das super. Wenn Weihnachten dort für mehr Überfluss und Überdruss sorgt, wo der eh schon zu Hause ist, mag sie das nicht.


Aber nichtsdestotrotz wird sie natürlich gerne wieder den Mittwoch bei Grete in der adventlich geschmückten Wohnung verbringen. Denn zu der Grete gehört das ja und mindestens ein Adventskaffeetrinken ist schließlich Tradition. Und auf Traditionen besteht die Grete ja. Da kommt das Lieschen gar nicht gegen an.



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Freitag, 22. November 2013

Lieschen erinnert sich an tote Hühner und noch mehr

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 98 ---> guckst du hier

Zu Gretes Bericht von heute würde das Lieschen am liebsten gar nichts sagen. Ist ja kein leichtes Thema, das die Grete da durch ihr Erlebnis aufwirft. Oder geht es nicht nur um die Ächtung von Hundebesitzern, die ihre Mitmenschen mit deren Exkrementen quälen? „Mal sehen“, denkt die Liese und startet das Nachdenken. 

Lieschen war ja selbst Hundebesitzerin, oder richtiger formuliert: Lieschen und Hermann wurden viele Jahre lang von Hunden besessen. Lieschen hat keine Kinder und Lieschen mag Städte weder für Kinder noch für Haustiere. Asphalt! Überall Asphalt! An Kindern und Tieren sieht man, wie schwer und unnatürlich ein Leben in der Stadt ist, denkt sie und korrigiert sich gleich selbst, indem ihr die Parks und Spielplätze einfallen, die ja zum Ausgleich erfunden wurden. Rasenflächen gibt es ja auch. Manche darf man sogar betreten. 

Luis kann ja froh sein, dass seine Mutter mit ihm auf den Spielplatz geht und dass sie ihm erlaubt in Pfützen zu spielen ist ja ne Wucht. Lieschen ist direkt ein bisschen gerührt über die gute Frau Heber und hätte ihr mehr Glück gewünscht. Hundescheiße am Kind ist ja eine unangenehme Sache. Erst Recht in einer Etagenwohnung. Erleichternd wäre in solch einem Fall ein Wasserschlauch auf dem Hof oder im Garten. Aber in Städten ist das ja nicht die Regel.

Hunde in Städten haben es aber auch nicht leicht. Natürlich wäre besser, sie müssten so nicht leben, meint die Liese, denkt aber an manchen alten Menschen in ihrer Umgebung, der als „einzige Bezugsperson“ seinen Hund hat. Bei manchen machen die Beine auch nicht mehr so mit und das Bücken ist auch nicht mehr leicht. Würden diese Menschen ohne ihre Hunde noch an die frische Luft gehen? Was würde aus ihnen? Wer kümmerte sich? Und selbst, wenn sie noch besser zu Fuß sind, die Hundebesitzer. Wo sollen sie hin mit ihren Hunden? Gibt es denn, so wie für Kinder, extra Plätze für Hunde? Oder darf man so etwas gar nicht als Frage in den Raum stellen?

Zusammenleben ist nicht einfach. Nirgendwo. Nicht in Städten. Nicht auf dem Land und nicht im Wald. Lieschen hat es, damals im spanischen Wald, geliebt, mit den Hunden ohne Leine durch die Natur „zu toben“. Lieschen liebt ja ihre Freiheit, die der anderen und die der Tiere auch. Das ist auch viele Monate gut gegangen. Glückliches Lieschen und glückliche Hunde, ganz natürlich. Aber Hermann, Lieschen und die Hunde hatten einen Nachbarn. Eigentlich war sein Haus weit weg. Bestimmt 500 Meter. Aber dessen Haus war kein einfaches Wohnhaus, sondern ein Bauernhof „wie er im Buche steht“. In alten Büchern. Kein Strom, Felder und viele Tiere. Unter anderem jede Menge Hühner und mehr als 100 Schafe. Und der Bauer liebte auch die Freiheit. Seine und die der Hühner. Die seiner Hunde nicht. Die lebten in Zwingern und waren nur für die Jagd. Die liebte das Lieschen nicht. Nicht selten lärmte aufkommendes Schrot auf dem friedlichen Hermann/Lieschengrundstück. Aber das hatte keine Bedeutung, denn Jagen war zu bestimmten Zeiten erlaubt. 

Schafe auf andere Weiden treiben auch. Das mochten der Hermann und die Liese. Wenn die Schafe mitten über ihr Grundstück marschierten, hielt die Liese die Hunde fest und freute sich über den Anblick. Vorne der Bauer mit dem „Schäfer“hund, der auch besser behandelt wurde als die anderen und am Ende der langen Reihe Schafe die alte Bäuerin. Über achzig Jahre alt, gebeugt und schnell. Sie ist bereits in diesem Waldhof geboren und sollte dort auch sterben. Ein wunderbares Bild, das dem Lieschen stets wie pures Leben erschien und ihr den Tag versüßte.

Aber zurück zu den Hunden, deren Freiheit die Liese liebte und den Hühnern, deren Freiheit der Bauer liebte. Um es kurz zu sagen: Hühner sind nicht in jedem Fall schneller als Hunde. Ergebnis: Hunde reißen Hühner. Jedenfalls dann, wenn beide frei sind. Der Bauer hat die Hunde erwischt, darauf verzichtet, sie zu erschießen, was die übliche Vorgehensweise in einem solchen Fall gewesen wäre und stattdessen Gottseidank den Hermann und das Lieschen informiert. Noch am gleichen Tag haben die beiden begonnen ein riesiges Gatter für die Hunde zu bauen. Besser ist besser haben sie sich gesagt. Die Hunde haben sich an die Leinen gewöhnt und die restlichen und kommenden Hühner vermutlich überlebt.

Warum der Liese die Geschichte einfiel? Vielleicht weil sie untermauern soll, dass Zusammenleben auch in solch großer Distanz Kompromisse erfordert und mit Macht und Ohnmacht zu tun hat. Manches regeln geltende Gesetze und manches nicht.

Hermann, der den Hund in den letzten Jahren in der Stadt am häufigsten ausführte, könnte ein Lied von Radfahrern am Rande des Flüsschens singen, die nicht klingeln, aber rasen und so Mensch und Tier fast zu Tode erschrecken. Und von noch Vielem mehr. Gottseidank war die Stadtphase für den kleinen Hund die kürzeste seines Lebens.

Lieschen mag lebendiges Zusammenleben. Auch mit Nachbarn. Auch mit Kindern. Auch mit Tieren. Auch wenn es manchmal nicht so einfach ist. Es verlangt halt von allen irgendetwas.





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Donnerstag, 21. November 2013

Lieschen war in der Crowd

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 97 ---> guckst du hier

„Lustig“ denkt das Lieschen, „lustig war‘s gestern. So lustig wie die Grete berichtet hat.“ Lustig findet sie aber auch, dass die Grete zu Beginn ihres Eintrags darauf hingewiesen hat, dass sie nur im Notfall lügt und dann am Ende einfach weggelassen hat, dass das Lieschen an Pocher nix auszusetzen hat und Schmidt echt gut findet. Kurz denkt sie darüber nach, ob solch eine Auslassung vielleicht doch unter der Rubrik Lüge verbucht werden könnte oder sollte, schiebt die Überlegung aber schnell zur Seite, weil sie es dann doch nicht so wichtig findet.

Harald Schmidts Latenightshow hat das Lieschen viele Jahre lang geguckt. Damals als man sie noch im kostenlosen Fernsehen empfangen konnte. An den Standupscherzen hat sie sich das Tagesgeschehen zusammen gereimt, wenn sie die Tagesnachrichten nicht kannte. Und die uneitle und intelligente Art des Herrn Schmidt, die wesentlichen Punkte aus Ereignissen zu filtern gefällt dem Lieschen. Außerdem mochte sie die völlig natürliche Art von Herrn Andrack, dem Sidekick und der süßen Französin, deren Namen sie vergessen hat. Herrn Pocher findet die Liese oft witzig. Vielleicht vor vielen Jahren ein bisschen grenzüberschreitend, aber in letzter Zeit hat sie eigentlich keine Scherze von ihm gesehen oder gehört, von denen sie vermutet, dass er, würden sie über ihn gemacht, nicht auch herzhaft lachen könnte. 

Und weil Lieschen so gerne lacht, gefallen ihr natürlich auch die meisten Comedians. Bei den aktuellen ist sie nicht besonders wählerisch, die mag sie alle irgendwie auf ihre Art, würde aber zu niemandem live in dessen Show gehen. Warum auch? Irgendwann zeigt RTL ja jede Show. Und in RTL-NOW kann die Liese dann weiterspulen, wenns ihr langweilig wird.

Gestern hat sie mit der Grete über all die Klassiker gelacht, die aus dem kollektiven Bewusstsein nicht mehr wegzudenken sind. „Das Bild hängt schief“ z.B. kann man als Satz ja kaum stehen lassen ohne an den unvergessenen Herrn Loriot zu denken, Herr Müller-Lüdenscheidt möchte in Deutschland wahrscheinlich niemand heißen und eine Herrenbutikwe in Wuppertal bräuchte sich um Werbung ja nicht zu kümmern. Sogar an den alten Tegtmeier haben sich die beiden gestern erinnert. „Ach was waren das noch Zeiten“ haben sie ein ums andere Mal gesagt, wenn die Münder mal kurz leer waren. Lieschen mochte Gretes Apfelkuchen nämlich sehr. Gottseidank ist dem unter dem Balkongespräch ja nix passiert. 

Das wusste auch der Heinevetter zu schätzen. Unter irgendeinem Vorwand kam er nämlich während des Kaffeetrinkens kurz rüber bei der Grete klingeln. Und wie die Grete so ist, hat sie ihm gleich zwei Stückchen „aufgedrängt“. Also eigentlich hat sie sie ihm gegeben. Auf einem der guten Teller. Aber der Herr Heinevetter hat so oft „ach das ist doch nötig, Frau Meier!“ und „ne, lassen sie mal, ich wird ja zu dick!“ gesagt, dass es letztlich wie Aufdrängen aussah. Sollte es wahrscheinlich auch. „Das ist das Ritual?“ hat das Lieschen die Grete gefragt und die Grete hat nur genickt und ein bisschen den Kopf geschüttelt.

Dass der Herr Hildebrandt so plötzlich gestorben ist, tut dem Lieschen leid. Irgendwie hat er sie ja ihr gesamtes (Fernseh)leben lang begleitet und sie hat gelesen, dass er noch Abschiedsauftritte geplant hatte. Zu denen kommt es jetzt ja nicht mehr. „Vielleicht ist das gut so“ hat sie gestern noch zur Grete gesagt. „Vielleicht war es so leichter für alle. Ohne großen Abschied. Einfach Ende. Wer weiß?“ Aber sie wussten es natürlich beide nicht. Die Dinge und Ereignisse im Leben sind halt wie sie sind. 

Das Lieschen ist nur froh, dass der Herr Hildebrandt erst kürzlich mit dem Sohn seines Freundes den STÖRSENDER im Internet gegründet hat. Durch seinen Namen und die (wunderbar hinterrückse) Werbung von Herrn Barwasser (Pelzig) und Roger Willemsen im ZDF hat das Crowdfunding dafür wunderbar geklappt und es existieren schon jede Menge wichtiger kritischer Sendungen im Störsender. Der lebt weiter. Auch dank und mit Urban Priol, Konstantin Wecker und vor allem Georg Schramm. Priol, Barwasser und Schramm legen so deutlich, informierend und intelligent unterhaltsam die Finger in die Wunden der Gesellschaft, dass ein unabhängiges Sendeformat (wenn auch im Internet) gut ist. Meint jedenfalls die Liese, die jetzt besonders froh, dass sie sich in der Crowd befunden hat und so einen bescheidenen Beitrag zur Entstehung des Senders geleistet hat.


Als Grete das Lieschen dann gegen ihren ausdrücklichen Willen im Wagen nach Hause gefahren hat, war es schon spät. Viel später als an einem üblichen Mittwoch. Irgendwie hatten die beiden bei all der Erinnerei und Lacherei die Zeit völlig vergessen. „Macht nix“ sagten sie beide „schlafen wir halt ein bisschen schneller. Schließlich leben wir ja nur einmal. Und haben wir ja heute wieder gesehen, wie plötzlich das vorbei sein kann.“




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Dienstag, 19. November 2013

Lieschen, der Welttoilettentag und jede Menge Erinnerungen

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 96 ---> guckst du hier

Lieschen ist ganz schockiert. Grete hat nämlich anlässlich des Welttoilettentages herausgefunden, dass 40 Prozent der Weltbevölkerung über KEINEN Toilettenzugang verfügen. Und in den restlichen 60 Prozent sind vermutlich auch noch jede Plumps- und Stehklozugänge verborgen. „Ach wie gut wir es haben“ denkt das Lieschen.

Sie selbst lebt ja in einem Haus, dass 100 Jahre alt ist. Zwei Weltkriege hat es überstanden und das Badezimmer wurde offensichtlich erst vor etwa 10 Jahren eingebaut. Mag sein, dass es vorher schon ein Wasserspülungsklo im Keller gegeben hat. Das weiß sie nicht. Dass es aber im Garten ein Plumpsklohäuschen gibt, in dem sie heute die Gartengeräte aufbewahren, das weiß sie.

Überhaupt gibt es diese ganze Hygiene- und Badezimmersache im Haus oder in der Wohnung noch gar nicht solange. Lieschen kennt noch einige Altbauwohnungen mit Etagenklo. So sehr lange ist das nicht her, dass sie, wenn sie bei Freunden übernachtete, nachts im Nachthemd im kalten Treppenhaus eine Halbetage nach unten laufen musste, wenn sie denn musste. Wer weiß, wie viele Menschen, auch in Deutschland, noch Pinkeltöpfe benutzen und sie nicht nur aus dem Museum kennen. Wie die Grete schon sagte: Da sprechen ja die Wenigsten gerne drüber.

„Wann wurde denn wohl das Klopapier erfunden?“ fragt sich das Lieschen weiter. Irgendwie hat sie Feuer gefangen und das Thema ruft alte Erinnerungen hervor. Sie hat in indischen Dörfern noch „Scheißplätze“ gesehen. So eine Art großer Marktplatz auf dem sich die Männer einfach auf den Boden hocken und scheißen. Ob es das heute noch gibt? Wahrscheinlich. Lieschen selbst ist nur dort „zur Toilette“ gegangen, wo es so eine Art Häuschen wenigstens mit Stehklo gab. Die Pensionen und billigen Hotels, die Lieschen vor ungefähr 15 Jahren kennengelernt hat, hatten nur Stehklos mit einer Dusche, die das gesamte Räumchen unter Wasser setzte, wenn man sie benutzte. Wenn überhaupt. Keine Abtrennung und natürlich kein Klopapier. Üblicherweise putzen oder putzten sich die Inder den Hintern mit ein bisschen Wasser und einer Hand ab. Mit der anderen essen oder aßen sie. Das hat Lieschen aber nicht nach- bzw. mitgemacht. Sie wusste ja bereits von der Erfindung von Klopapier und Besteck und hat sich beides dort gekauft, mit sich geführt und benutzt, wenn sie es brauchte.

Für die Hygiene und Gesundheit ist die Erfindung und Benutzung von Klopapier, ohne das wir Westler uns das Leben wohl kaum noch vorstellen können, ja eine prima Sache. Die Umwelt freut sich allerdings vielleicht an den vielen Menschen, die es nicht kennen oder nicht benutzen. Da kommt nämlich pro Person eine Menge Papier zusammen. Lieschen weiß das. Auch bei sparsamer Benutzung ist das ein Berg. Sie hat das nämlich jahrelang beobachten können. Das Häuschen im spanischen Wald war nämlich nicht an irgendein zentrales Abwassersystem angeschlossen, sondern hatte nur eine begrenzt große Sickergrube, die es übelnahm, wenn sie mit nichtabbaubarem Zeugs zu tun bekam. Also halfen der Hermann und die Liese, indem sie das meiste Klopapier in einem Eimer sammelten. Und wie gesagt. Da kommt was zusammen.


Das Lieschen findet ja die Zivilisation mit all ihren Annehmlichkeiten eine prima Sache, wundert sich aber an so Tagen wie heute, wenn sie sich an die Nicht- oder anderen Zivilisationen erinnert, wie schnell sie vergessen hat. Und wie schnell sie auch Berichte über die Kanalsysteme in deutschen Großstädten vergessen hat, die sie natürlich auch schon gesehen und gehört hat. Verstopft sind viele. Wegen der Wasserspartasten in den Toiletten und all dem Zeugs, das Menschen ins Abwassersystem „leiten“. Die Städte müssen die Kanäle immer wieder mit horrenden Mengen Trinkwasser  durchspülen. Und so weiter. Das Lieschen kommt jetzt vom Hölzchen aufs Stöckchen und beschließt, den Gedankenstrom zu stoppen bzw. ihm keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. 

„Wer hätte das gedacht, dass mir zum Welttoilettentag so viel einfällt“ denkt sie und ist erstaunt über sich selbst. Dachte sie doch heute Morgen noch, dass so ein Welttoilettentag ganz großer Quatsch ist. „Siehste mal, Liese“ sagt sie zu sich selbst „so kann Frau sich irren.“



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Montag, 18. November 2013

Lieschen liebt Themenwochen, egal ob vorgesetzt oder selbst gemacht

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 95 ---> guckst du hier

Lieschen hat heute über den Tag immer wieder Videos aus der ARD-Videothek geguckt. Es ist nämlich wieder Themenwoche. Letztes Jahr gab es jede Menge Sendungen, die sich mit dem Thema Tod beschäftigten und dieses Jahr geht es um das Thema Glück. Lieschen liebt solch intensive Beschäftigungen mit einem Thema. Auch außerhalb von Fernsehthemenwochen. Mosaike aus verschiedenen Perspektiven, unterschiedlichen Beleuchtungen, Erfahrungen, Geschichten, Meinungen, Fakten und Facetten machen dann auch ihre eigenen Gedanken bunt. 

Dabei erfährt sie so viel Neues, dass sie eine Zeitlang damit zu tun hat, es zu verarbeiten. Sie empfindet diese größer werdenden Bilder zu einem Themenkomplex als Bereicherung. Überhaupt mag ja das Lieschen Blicke über den eigenen Tellerrand. Ob diese Vorliebe Glück ist? Ob solche Beschäftigungen zu Glück führen? Oder ob es im Leben vielleicht doch einfach nur um Zufriedenheit geht?

„Mensch Grete“ rief sie ins Telefon, als die sie wegen der Frage nach dem Glück anrief, „was weiß ich? Die Themenwoche hat doch erst angefangen. Wer weiß, was wir da noch alles erfahren werden. Das Thema ist doch so riesig!“ Mit solch ausweichender Antwort wollte sich die Grete natürlich nicht zufrieden geben und bohrte weiter, in dem sie der Liese verschiedene Vorschläge machte und fragte, ob das wohl Glück sei, bzw. gewesen sei. Aber Lieschen weiß ja nicht wirklich, was Glück ist.

In einer der Sendungen, die sie heute geguckt hat, hat Guildo Horn behinderte Menschen nach ihren Glücksrezepten gefragt und erstaunlich klare Antworten bekommen, die sich aber hauptsächlich durch die Bilder und die dadurch präsentierten Gefühle transportierten. In Worten könnte das Lieschen die Erkenntnisse kaum weitergeben. Glückliche geistig behinderte Menschen hatte das Lieschen aber schon oft getroffen. Ihre eigene Schwester arbeitet schon lange mit behinderten Erwachsenen und hat viele Jahre ihres Lebens auf die Frage, ob sie eigene Kinder möchte mit Ja geantwortet. Die anschließende Frage „lieber Junge oder lieber Mädchen“ hat sie ohne Ausnahme mit „egal … Hauptsache Downsyndrom“ beantwortet. Lieschen mochte das. Nicht nur wegen der wunderbaren Geschichten, die ihre Schwester über das Leben und in Einzelfällen auch über die besondere, oft glückliche Art zu Sterben dieser erwachsenen, jungen und älteren Menschen mit Downsyndrom erzählt hat. 

Tante ist die Liese aber nie geworden. Ist das nun Glück oder Pech? Mutter ist ihre Schwester nie geworden. Glück oder Pech? Macht solch eine Einteilung überhaupt Sinn? Hat Glück etwas mit der Erfüllung von Wünschen zu tun? Oder könnte Nichthadern mit dem was ist, auch Glück bedeuten oder zu Glück führen. Anke Engelke hat gestern in der ansonsten eher langweiligen Sendung von Günter Jauch sinngemäß gesagt: „Wir müssen mit dieser ewigen Rederei von Wachstum aufhören. Wir haben doch alles.“ Das meint die Liese ja auch. 

Und als sie es eben der Grete am Telefon sagte, hat die auch genickt und zugestimmt. Woher das Lieschen weiß, dass die Grete genickt hat? Das hat sie an den Veränderungen von Gretes Stimme während ihrer Sätze gehört. Das Lieschen hört nämlich meistens ganz genau zu. Das wundert die Grete und oft lacht sie über Lieschens Beobachtungen und Genauigkeiten. Eben auch wieder. Und dann haben sie beide gelacht und sich gemeinsam gefragt, ob das wohl Glück ist. Wussten keine Antwort und haben dann in unterschiedlichen Stimmungen noch ein bisschen über die Begriffe kurzfristig, lebenslang, grundsätzlich, selten, Schicksal, Spielhöllen, Depression, Gefühl, Genügsamkeit und manche andere in Bezug auf Glück philosophiert. Sind aber im Grunde keinen Millimeter weiter gekommen. Schließlich hat sich die Grete wegen ihres knurrenden Magens  an ihre Kartoffeln erinnert und sie haben die Weiterführung des Gesprächs auf Mittwoch vertagt. 

Mag sein, dass sich mit kuchengefüllten Mägen im warmen Café leichter Antworten auf die „Glücksfrage“ finden lassen. Immerhin wird die Liese bis dahin noch ein/zwei Sendungen aus der ARD-Mediathek gesehen haben und wer weiß, vielleicht geht sie Mittwoch vor dem Cafébesuch noch in der Bahnhofsbuchhandlung vorbei und blättert ein bisschen in den vielen Ratgebern, die es ja zum Thema gibt. Kann aber gut sein, dass es der Liese beim Blättern und kurzen Lesen in dieser Art Ratgeber wie immer geht, wenn sie das macht. Sie verliert sich in diesen vielen Tipps und versteht nach einiger Zeit nicht mehr wirklich, was es durch Befolgung derselben zu erreichen gibt.


Aber wer weiß. Was sich wirklich in diesem Thema verbirgt wird das Lieschen vielleicht am Ende der Woche wissen. DIE Geduld hat sie.



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Sonntag, 17. November 2013

Lieschen findet weinen heilsam

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 94 ---> guckst du hier

„Deshalb also hat die Grete den Anruf eben nicht angenommen.“ Lieschen hatte sich schon so etwas gedacht. Irgendwie hat sie vermutet, dass es der Grete heute nicht so gut geht. Und weil sie ihren Ahnungen gerne nachgeht und weil sie dachte, dass es der Grete vielleicht gut tun würde, mit irgendjemandem zu reden an einem solch düsteren Tag wie dem heutigen, hat sie sie angerufen. Allerdings hat sie nicht bis zum St. Nimmerleinstag klingeln lassen. Sie hat sich gedacht, dass die Grete ja sieht, wer angerufen hat und wenn sie will, wird sie schon zurückrufen. So ist sie, die Liese. Ein Zeichen geben, ja. Belästigen, nein. Und im Grunde war es ja ganz richtig so, meint sie jetzt, nachdem sie von den Kopfschmerzen, der Langeweile und den Tränen gelesen hat.

Wenn Tränen da sind müssen sie geweint werden. So ist das doch. Zu ihrer Zeit und manchmal egal aus welchem Anlass. Das Lieschen kann so was auch am besten alleine. Beim Weinen kann sie niemand anderen gebrauchen. Ihre Tränen sind ja ihre und, hat ja kein anderer etwas mit zu tun. Oft weiß das Lieschen auch gar nicht, warum sie weint. Oder worüber sie weint. Sie weint einfach, wenn die Tränen „drücken“ und sie alleine ist. Das reinigt. Nicht nur, weil es Wasser ist. 

Solche Sendungen, wie die Grete sie heute gesehen hat sind vermutlich genau für solche Reinigungen produziert worden, glaubt die Liese. Lieschen hat diese Sendung vor vielen Jahren ein paarmal geguckt. Sie weiß eigentlich nicht, ob sie heute noch ist wie sie sie in Erinnerung hat. Tut aber jetzt einmal so, als wäre noch alles „beim Alten“. Menschen verschwanden aus den Leben von Menschen. Julia Leischnik erfährt davon und reist um die halbe Welt, um die Verschwundenen, die ja ebenfalls bereits seit vielen Jahren mit einem Verlust zu tun haben, zu finden. Wer bei den Videobotschaften, die sie wechselseitig vorführt, nicht schon schnieft ist hartgesotten und wer bei der Reunion zum Schluss nicht Pippi in den Augen hat, hat wirklich nichts zu weinen. Lieschen meint, dass das Traurige oder Berührende gar nicht so sehr das Schicksal dieser fremden Menschen im Fernseher ist. Sie meint, dass diese Geschichten nur eigene Geschichten antuppen und so im glücklichen Fall den Tränentopf überlaufen lassen. Den einen spricht das Leid in Zusammenhang mit dem Verlust eines geliebten oder gewohnten Menschen, bei einem anderen trifft das Wiederfinden auf eigene Wünsche, die vielleicht mit dem Beenden von Einsamkeit zu tun haben und wieder andere sehen bestimmte Gefühle in den Protagonisten dargestellt, die sie kennen und vielleicht bei sich selbst vernachlässigt haben.

Lieschen ist froh, dass die Grete geweint hat. Auch wenn sie nicht weiß warum. Abnehmen könnte sie ihr ihre Gefühle, ihre Tränen und ihre Einsamkeit ja sowieso nicht. Sie kann ihr für eine Zeit Gesellschaft sein, sie kann ihr mit weitem Herzen ein offenes Ohr schenken und sie kann ihr z.B. Kopfschmerztee bringen, wenn sie von den Schmerzen weiß. Was könnte sie mehr tun? Das müsste Grete ihr sagen. Und dafür müsste sie ans Telefon gehen oder von selbst anrufen. Oder?
Wenn die Grete selbst einen vermutlich noch lebenden Menschen im Laufe ihres Lebens aus den Augen verloren hätte, dann könnte das Lieschen suchen helfen und im Fall der Fälle Frau Leischnik informieren. Das könnte sie tun. Wenn sie davon wüsste. Davon weiß sie aber nichts. So etwas hat Grete bisher nie erzählt.

Lieschen erinnert sich an die Abschlussfrage von Gretes Sonntagsbericht. Ob die Stimmung wohl am Alleinsein liegt oder einfach am November? Genau weiß die Liese das natürlich nicht. Natürlich ist die Dunkelheit am „hellichten“ Tage mühsam. Aber vielleicht liegt ein Wert in der Dunkelheit? Vielleicht ruft sie uns auf, uns mit unseren dunkleren Seiten zu beschäftigen? Vielleicht brauchen wir dazu sogar das Alleinsein? Vielleicht tun wir uns einen Gefallen, wenn wir uns in solchen Monaten zurückziehen, Schmerzen aushalten und z.B. weinen? Vielleicht heilt uns das und macht uns selbst heller. Heller als der November selbst jemals werden kann. Vielleicht, so meint das Lieschen, ist der November ein Geschenk, indem er uns manche Ablenkung und Außensonne vorenthält.


Kann sein, dass die Grete gar nicht so sehr durch Frau Korters Gesellschaft sondern vielmehr durch das Weinen der Tränen und die frische Luft schmerzfrei wurde. Möglich isses. Meint die Liese.




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Freitag, 15. November 2013

Damals rechnete das Lieschen um

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 93 ---> guckst du hier

„Auf DIE Fotos bin ich gespannt“ denkt das Lieschen und reibt sich die Augen nach dem Lesen des enorm langen Berichts von der Grete. Sie hofft natürlich, dass sich die Aktion der 3 Kolleginnen gelohnt hat und Grete auf den Fotos superschön aussieht.
Und dann erst freut sie sich mit der Grete über diesen großen Geldsegen. „Mit der Grete?“ fragt sie sich und liest noch einmal nach. „Naja. Ist ja verständlich, dass sie solch einen Gewinn erst einmal verdauen muss.“

Lieschen hatte solche Lose früher auch mal. Also ganz früher. Als junge Frau hat sie gedacht, dass das eine gute Sache ist. „So sparste wenigstens irgendwas“ hat sie zu sich gesagt. Obwohl das ja nicht sparen ist, sondern für Lose bezahlen und gleichzeitig etwas aufs Sparbuch einzahlen. Die Liese hat über die Jahre aber niemals etwas gewonnen. Naja bis auf manchmal 5 Mark. Das hat den Verlust aber nicht ausgeglichen. Den hat sie sich nämlich irgendwann einmal ausgerechnet, sich erschrocken und ganz schnell ihre Loskauferei eingestellt. 

Jetzt denkt sie kurz „hätte ich mal einen längeren Atem gehabt, dann hätte ich vielleicht genau wie die Grete so viel Geld gewonnen.“ Also zückt sie ihren Taschenrechner und will ausrechnen, was sie die Lose in den „durchgehaltenen“ Jahren gekostet hätten. „120 Euro im Jahr ... macht also …“, doch dann fällt ihr auf, dass die Lose ja viele Jahre lang Mark gekostet haben. Das umzurechnen hat sie jetzt doch keine Lust. Und selbst wenn sie Lust dazu hätte, denn Rechnen mag das Lieschen eigentlich, dann wüsste sie wirklich nicht, in welches Verhältnis sie die D-Mark heutzutage zum Euro setzen sollte. Im Grunde kostet ja heute alles was früher eine Mark gekostet hat einen Euro.

Obwohl. Das Lieschen kennt Leute, die heute noch, so viele Jahre nach der Einführung des Euros, umrechnen. Die sagen dann z.B. „einen Kaffee für 7 Mark hätten wir doch früher niemals getrunken“. Oder sie hängen die Jacke im Kaufhaus wieder auf den Ständer nachdem sie aufs Preisschild geguckt und gerechnet haben. 70 Euro für eine Winterjacke findet das Lieschen jetzt nicht besonders viel, aber sie käme auch nicht mehr auf die Idee, die 70 in Gedanken zu verdoppeln und dann natürlich zu dem Schluss zu kommen, dass sie vielleicht doch zu teuer ist. Diese Jacke.

Lieschen erinnert sich noch an die Zeit der Einführung des Euros. Damals lebte sie in Spanien und hatte für kurze Zeit jedes Gefühl für Preise völlig verloren. Sie war schon einige Zeit die Peseten gewöhnt und rechnete automatisch den hohen Pesetenbetrag in den vergleichsweise kleinen DM-Betrag um, wenn sie was kaufte oder kaufen wollte. Das konnte sie nach all der Zeit aus dem Efef. Als es dann aber die neuen Preisschilder gab, die den Europreis beinhalteten und in Spanien noch für lange Zeit den Peseten-Preis dazu, war die Liese verwirrt. Sie guckte auf die Preise und rechnete praktisch zweimal um. So kam sie auf zwei ungefähre Angaben, die ihr in der ersten Zeit keine solche Auskunft über den Preis gaben, der auf die Schnelle zu einer klaren Einschätzung hätte führen können. 

Lieschen erinnert sich, dass es wirklich gedauert hat, bis sie den Euro einfach den Euro hat sein lassen. Ihrer Beobachtung nach haben sich die Spanier noch schwerer getan als sie. Für sie war die Umstellung von den hohen Beträgen zu so winzigen, wie der Euro sie bereit hielt, wirklich nicht leicht. Auf Spaniens Märkten findet man heute noch viele Artikel für genau 6 Euro. Das war nämlich früher einmal ein glatter runder Betrag. In etwa 1000 Peseten.


Das Lieschen aber findet den Euro super. Keine Geldumtauscherei mehr. Jedenfalls oft nicht. Keine Kleingeldgläser mit ausländischen Währungen. Oder jedenfalls nur noch ein Kleines. Hermann war neulich in der Schweiz und in England. Da hat er auch wieder viel rumgerechnet bis er wusste, was was kostet. Ob der Euro wohl bleibt? Praktisch wär‘s ja, meint die Liese. Aber ob das möglich ist? Sie beschließt, sich überraschen zu lassen. Bleibt ihr ja auch nichts anderes übrig. Als sie bei dieser Erkenntnis angekommen ist, amüsiert sie sich wieder über sich selbst, lacht und erinnert sich wieder an Gretes großen Gewinn. Denkt „so ein Glück“ und geht zum Telefon, um der Grete zu gratulieren. Zu dem vielen Geld und zu den Superkolleginnen.



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Donnerstag, 14. November 2013

Das Lieschen mochte mal was Neues schreiben

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 92 ---> guckst du hier

Das Lieschen hatte im ersten Moment gar keine Augen für die pitschnasse und so seltsam schmutzige Grete. Sie hielt sich kaum auf ihrem Stuhl und hätte sich Streichhölzer für die Lider gewünscht, die ohne solche Stützen laufend der Schwerkraft folgten. Erst das laute Stühlerücken an den Nachbartischen, begleitet von ebenso lauten „Ahs“, „Ohs“ und „Pfuis“, machte sie auf eine vermutlich interessante Veränderung im Café aufmerksam.

Wenn nicht Mittwoch wäre, wenn es nicht die Grete wäre und wenn es da nicht dieses Ritual gäbe, hätte das Lieschen heute das Bett, das sie erst am frühen Morgen gefunden hatte, gar nicht verlassen. So müde war sie. Die ganze Nacht hatte sie sich um die Ohren geschlagen. Manchmal ist das Lieschen nämlich ein Nachtmensch. Immer dann, wenn sie die Muse küsst. In so einem Kuss kann einiges stecken. Mal ist es ein buntes Bild, das unbedingt gemalt werden will, mal ruft ihr ein Stück Stoff aus dem Nachbarzimmer zu, dass es nun lange genug da rumgelegen hat und JETZT endlich mit anderen Stoffen kombiniert ein nützliches Teil werden will und mal kullern ihr bestimmte Perlen förmlich entgegen und erzählen ihr, was sie werden wollen. Und manchmal hat die Liese einen Textanfang im Kopf, der sie nicht schlafen lässt.

Gestern am späten Abend quälte sie solch ein Anfang. Denn eigentlich war sie zu diesem Zeitpunkt bereits müde. Aber sie hatte nach einem langen Telefonat mit ihrer Schwester, in dem es um Gewohnheiten, um ImmergleicheHandlungen, um Routinen, um Langeweile, um die Kunst, um Schwesters Tagebuch, das Hängen an längst Vergangenem und ähnlich existentielle Themen ging, einen Satz im Kopf, der denselben auch nicht mehr von alleine verlassen wollte. 

Stattdessen drehte er Pirouetten in Lieschens Kopf. Während sie sich umzog, bettfein machte, schnappte der sich ein paar andere Wörter und tanzte durch Lieschens Oberstübchen. Die war aber wild entschlossen, vernünftig zu sein, ins Bett zu gehen und bald zu schlafen. Schließlich wollte sie am nächsten Tag fit sein. Für sich selbst und für die Grete. Also legte sie sich hin, löschte das Licht, schloss die Augen und begann das Einschlafen. Also genau genommen wollte sie das Einschlafen beginnen. Aber immer noch tanzten diese Wörter „Ich möchte mal was Neues schreiben“ in ihrem Kopf Walzer. Miteinander und mit „was Ungewöhnliches“

„Jaja“, dachte das Lieschen. „So isses ja. Das will ich mal. Aber doch nicht jetzt!“ So wie die Schwester auch. Die will Tagebucheinträge, die nicht wie ein Ei dem anderen gleichen. Kann sein, dass der Satz von ihr stammte. Und vorher durchs Telefon kam. „Was also habe ich damit zu tun?“ fragte sich die Liese im gewünschten Halbschlaf, der sich aber nicht in Richtung Schlaf entwickelte und auch keine Antwort parat hatte. Also hat sich das Lieschen ungeachtet der späten Stunde wieder an ihren Schreibtisch gesetzt, den Computer angemacht, gewartet bis er hochgefahren war und das folgende Gedicht geschrieben:

Ich möchte
mal was Neues schreiben,
was Ungewöhnliches,
noch nie Dagewesenes,
was wirklich Spektakuläres
und selbstverständlich Weltbewegendes.

Etwas, das bislang noch niemand jemals schrieb,
etwas, das bis zum heutigen Tage noch nirgends stand.

Wirklich und tatsächlich neu soll es sein.

Aber wie mach ich das
mit diesen alten Buchstaben und Zeichen?

Und was wäre, wenn es gelänge?
Wie lang erhielte sich dieser Zustand?

Wäre nicht auch das
im Moment des ersten Lesens
schon alt, gebraucht und nicht mehr neu?

Ich möchte mal was Neues schreiben.
Und hoffe, es gelingt.

Als sie damit fertig war, war sie hellwach und auf der Tanzfläche in ihrem Kopf hatten sich neue Wörter gefunden, die darauf bestanden zu einer Geschichte geformt zu werden, die noch niemals geschrieben wurde, die wirklich neu war und EXPERIMENTELL. Das gefiel der Liese und sie hat geschrieben und geschrieben und geschrieben. Bis es hell wurde und noch länger. Erst am Vormittag ist sie für sehr wenige Stunden erschöpft aber glücklich ins Bett gefallen.

Was dem Schlaf nicht gelungen war – nämlich Lieschens bleierne Müdigkeit zu vertreiben – gelang der Grete in ihrem witzigen Zustand dann problemlos. Als sie hereinkam, sah sie so beschmutzt aus, dass die Menschen an den Nachbartischen mit ihren Stühlen zurückrutschten, um einen Gang zu bilden und keinesfalls mit ihr in Berührung zu kommen.

Während die Grete sich trocknete und mit Spucke versuchte, die Flecken auf dem Mantel wenigstens notdürftig zu entfernen, erzählte sie, wie es sowohl zum Mantel als auch zu seiner Vermasselung gekommen war. Das Lieschen erzählte vom Sieg der Wörter über ihren Schlaf und beide lachten wieder viel. Wie immer. Den ganzen Nachmittag.


Diesen experimentiellen Text der Nacht hat die Liese der Grete dann noch in die Manteltasche gesteckt. „Ob sie ihn findet und liest? Und wenn ja, ob er ihr gefällt?“ fragt sie sich auf dem Heimweg. Irgendwie hofft die Liese, die Grete würde ihr eines Tages sagen, was sie von den Wortkombinationen der Nacht hält. Auch ohne, dass sie fragt.



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Dienstag, 12. November 2013

Lieschen denkt über Eventualitäten und Alternativen nach

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 91 ---> guckst du hier

Da hat das Fräulein Grete Meier heute also zunächst einen gebrauchten Tag erwischt. Das gibt es, denkt das Lieschen. Erst Recht im November. Kalt, gebraucht und irgendwie unbrauchbar. Wohl dem, der sich, sobald er das merkt wieder ins Bett legen und nach einiger Zeit neu starten kann. Oder wohl dem, der sich am Morgen die Zeit nehmen kann, den fehlenden Kaffee zu besorgen oder einfach nur wohl dem, der die Zeit hat, erst einmal durchzuatmen. Hatte die Grete aber nicht. Sie musste los. Offensichtlich schnell los, damit sie pünktlich zur Arbeit kam. Und was ist dann passiert? Das Lieschen lacht. Dann ist sie bei aller Hektik doch nicht pünktlich gekommen. Stattdessen ist sie in einen Stau geraten, die Grete. Zwei Stunden hat sie festgesessen, schreibt sie. 

Festgesessen? Klar, denkt die Liese, wenn das Ziel das Wichtigste ist – und das ist es ja in der heutigen Zeit – dann werden aus Verschnaufpausen Hindernisse. Wenn die Aufmerksamkeit auf der Ferne liegt, hat das Nahe keinen Wert. Und doch könnte man vielleicht sagen, bei allen Anfangsschwierigkeiten, die der Tag für die Grete bereithielt, hat er ihr eine lange Ruhephase, die sie nicht zu verantworten hatte, dazu geschenkt. Oder nicht? 
Im Ergebnis kam sie zwei Stunden zu spät ins Büro. Zwei Stunden später als verlangt. Zwei Stunden später als verabredet. Sie hat wohl Chaos angetroffen, aber die Welt ist davon nicht unter gegangen. Offensichtlich. 

Was wäre wohl gewesen, wenn die Grete sich am Morgen, als sie merkte der Tag beginnt nicht gut für sie, die Zeit genommen hätte, aus diesem hektischen Anfang einen geruhsamen zu machen. Was wäre wohl gewesen, wenn sie sich ganz aktiv die zwei Stunden „Verspätung“, von denen sie zugegebener Weise noch nichts wusste,  genommen hätte. Für ein warmes, gemütliches Bad, ein Tässchen Kaffee bei Herrn Heinevetter, ruhiges Anziehen und so weiter. Das Ergebnis Verspätung wäre ja das gleiche gewesen, Gretes Stimmung aber vielleicht nicht.

Hektik gepaart mit dem Blick in zukünftigen Ergebnissen kostet ne Menge, meint die Liese. Nicht nur Feinstrumpfhosen oder Brandsalbe samt Pflaster. Vielleicht auch Gesundheit. Könnte sein, meint sie.

Wie sich ihre Kollegen im Büro wohl geholfen hätten, wenn sie gar nicht gekommen wäre an einem solchen Tag? Wären sie auch alleine auf die Idee gekommen das Gerät aus der anderen Abteilung zu holen, anzuschließen und zu benutzen? Hätte es jemanden gegeben, der dafür gesorgt hätte, dass die Rechnungen, die ja „raus mussten“ „raus kamen“? Was wäre passiert, wenn die Rechnungen erst am nächsten Tag das Licht der Welt erblickt hätten? Und wie würde die Grete sich fühlen, wenn klar würde, dass es in der Firma auch ohne sie ginge? Falls es ohne sie ginge.

Mal im Ernst, denkt das Lieschen, wie hätte die Grete den Tag wohl verbracht, wenn sie keinen Plan gehabt hätte, den es abzuarbeiten galt? Das Lieschen hat neulich wieder einmal eine Dokumentation im Fernsehen gesehen, in der zwei 65jährige Herren in ihren Ruhestand begleitet wurden. Ein ganzes Jahr lang. So sehr die beiden sich auf die freie Zeit freuten und so zuversichtlich sie waren, dass alles super werden würde, so schwer taten sie sich dann mit der vielen freien Zeit und der Abwesenheit einer Bedeutung durch ihren Beruf. Beide vermissten die zeitlichen Vorgaben des Berufs und die Anforderungen von außen, die kein Ansehen im Gepäck hatten. Beide hatten nicht gelernt, einen Wert in sich zu sehen, sich selbst zu motivieren und ihren Tagen selbst Leben einzuhauchen. Schon gar kein gemütliches Leben.


Vielleicht würde das der Grete auch so gehen? Grete hat ja noch lange Zeit bis zur Rente, aber ein bisschen üben könnte sie ja jetzt schon, denkt das Lieschen. Einfach jetzt schon mal ein bisschen selbst bestimmen. Das wäre doch vielleicht ne prima Idee. Liese wird sie morgen mal fragen, was sie wohl meint, wie es ihr dann gehen wird und was sie von der Idee hält. Beim gemütlichen Kaffee im Café. Falls die Grete kommt und nicht von selber entscheidet, ihrer Gesundheit zuliebe mal eine Ausnahme zu machen. 

Uihuihuih, denkt das Lieschen, das könnte ja auch passieren! Aber nach dem kurzen Schreck lacht die Liese wieder. Falls die Grete nicht kommt und das das ist, was sie wirklich will, dann ist das also das Beste, was uns passieren kann. Basta. Die Grete ist ja ein freier Mensch. Und das Leben organisiert die Dinge schon richtig. Immer, meint das Lieschen. Für alle Beteiligten. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.



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Montag, 11. November 2013

Lieschen war wütend

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 90  ---> guckst du hier

Fast hätte das Lieschen laut ausgerufen: „ach wie süß“ als sie sich den in die Jahre gekommenen hilflosen Herrn Heinevetter in fescher Jeans und Outdoorjacke an der Brüstung hängend vorstellte. Doch gerade noch rechtzeitig hat sie sich die Schwierigkeiten, die er mit seiner Aktion der Grete gemacht hat, in Farbe vorgestellt. So sind ihr während des Weiterlesens die Worte im Munde stecken geblieben und sie erhielt prompt die Bestätigung, dass ihr Schweigen tatsächlich besser war, auch wenn „das süß“ niemand außer ihr gehört hätte. 

Die Grete hat ihn natürlich mal wieder retten müssen, den Herrn Nachbarn, der offensichtlich gerne noch jung und fit wäre. So fit wie der Schimanski seiner jungen Jahre in dessen jungen Jahren. Ob der Herr George, wenn er sich in Herrn Heinevetters Situation befunden hätte, in der Lage gewesen wäre, sich selbst wieder auf den Balkon zu ziehen, weiß das Lieschen natürlich nicht. Sie guckt schon lange keinen „Tatort“ mehr. In ihr lebt (auch) noch das Bild des „alten“ jungen Schimanskis, der sich sonntäglich durchs Ruhrgebiet trank und durch keine noch so aussichtslose oder vermasselte Situation zu beeindrucken war. Doch die Zeiten sind vorbei. Auch für Schimanski, auch für den Schauspieler. Und vorbei ist doch vorbei. Oder etwa nicht? 

Oder etwa nicht! Lieschen kann sich heute die Antwort selbst geben. Seit Samstag weiß sie wieder, dass kleinste Erinnerungen genügen, um die „guten alten Zeiten“ zum Leben zu erwecken. In Lieschens Fall hat das nix mit den „Tatorten“ ihrer Jugend zu tun. In ihrem Fall ist die Schulzeit wieder in ihr Leben getreten. Für kurze Zeit mit voller Wucht. Klassentreffen samt Schulbesichtigung am Samstag. Mitten in der Schulaula wohnten offensichtlich mindestens Gefühle der Abhängigkeit, Verzweiflung und Rebellion. Lieschen hat sie zu spät bemerkt, ist mitten durch sie hindurch gegangen und die alten längst vergessenen Gefühle hatten nichts Besseres zu tun als sich an sie zu heften  und sie auch den ganzen Sonntag hindurch zu begleiten. 

Lieschen hat mitten im chaotischen Lehrerzimmer gestanden, die vierzig Jahre alten Sprüche des schon seit zwanzig Jahren pensionierten ehemaligen Klassenlehrers nicht abwehren können und hat in den Gesichtern der mit ihr Besichtigenden tatsächlich die vertrauten Gesichter von damals entdeckt. Damals stand ihnen allen die Welt offen. Weit weit weit. Dachten sie und hofften sie. Heute, 35 Jahre später, liest die Liese jede Mengen Geschichten in den vertrauten Augen und weiterhin noch nicht alt wirkenden Frauen. Zu viele Geschichten? Enge Geschichten? Tragik? Freude? Wie viel Welt und wie viel weites Leben liegt noch vor ihnen, den Müttern, Ärztinnen, Arztgattinnen, leitenden Angestellten und so viel Gewordenen? Was ist geblieben? Was wird noch kommen? Lieschen weiß es nicht. 

Im Lokal, nach der Schulbesichtigung, hat sie ein wenig entspannt und in höllischer Geräuschkulisse versucht, zu erfahren was sie interessiert. Das war nicht leicht. Eckdaten. Nur Eckdaten. Mein Auto, mein Haus, die Yacht. Wie viele Kinder, wie alt, der wievielte Mann, Wohnort und Arbeitsstelle. Mehr war in der Kürze der Zeit kaum zu erfahren. Auch nicht für das Lieschen, die das Fragen in ihrem Leben ja perfektioniert hat. Manches „gut, gut“ mit schriller Stimme aus Mündern unter traurigen Augen hat sie kurz verweilen lassen und manches „ach ja … ganz gut“ aus Mündern unter Augen mit eingebrannten Lachfältchen auch. Lieschen hätte gerne manch erlebte Geschichte gehört. Sie hätte gerne gewusst wie die Damen, mit denen sie den Abend verbrachte und vor so langer Zeit neun Jahre ihres Lebens teilte, ihre Krisen überwunden haben, was hat ihnen geholfen, wie haben sie es gemacht und hatten SIE irgendwelches Rüstzeug für die schwierigen Lebenssituationen aus der Schulzeit mitnehmen können? 

Es war ein anstrengender und auch ein schöner Abend. Lieschen ist erstaunt wie vertraut ihr die vergessenen Gesichter nach kurzer Zeit wieder waren. Noch heute ist sie erstaunt, dass die 10-19-jährigen gut sichtbar in den Mitfünfzigern wohnen. Ob es klug ist sie zum Leben zu erwecken oder müssen die erst geheilt werden? Wäre das gut? Oder wäre es besser, den Erinnerungsabend einfach wieder zu vergessen und weiterzumachen mit dem Leben, wie es halt gerade ist?

Lieschen hat eben die Abiarbeiten verbrannt, die sie ungefragt am Samstag ausgehändigt bekam. Sie hat sie gelesen. Sowohl den Müll, den sie selbst damals in rotziger Schrift aufs Papier gebracht hat als auch all die roten Wörter und Ausrufezeichen in der Nachbarspalte. Das Wissen, dass auch die Lehrer damals sehr jung waren und eigentlich noch keine Chance hatten zu erfahrenen Menschen heranzureifen, hat sie nicht vor erneut aufkeimender Wut auf Dummheit, Ignoranz und das System an sich bewahrt. „Liebe Lehrer“ will die Liese sagen „das rote überhebliche Anmerken der Fehler wird keinen schlechten Schüler zu einem Guten machen. Glaubt mir! Schreibt dahin, was in euren Augen richtig gewesen wäre, falls ihr wollt, dass der Schüler was lernt …“. 

Da diese Wut dem Lieschen schon damals nicht gut getan hat und auch heute bereits wieder begann, Schaden in der Liese anzurichten, hat sie die Arbeiten eben kurzerhand verbrannt. So ist sichergestellt, dass sie sie niemals wieder ansehen muss und auch die Wut verebben kann. Schließlich hat sie mit der Liese von heute nix mehr zu tun.


Was wird der Herr Heinevetter wohl tun, wenn uralte „Schimanskis“ im Fernsehen wiederholt werden? Da er offensichtlich ja ähnlich leicht zu beeindrucken ist wie das Lieschen, würde die ihm empfehlen, in einem solchen Fall den Fernseher einfach ausgeschaltet zu lassen. So wie sie zum nächsten Klassentreffen einfach nicht mehr hingehen wird.



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Lieschen fühlt denkend mit

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 89  ---> guckst du hier

Wie mag die Mutter mit dem Mädchen sprechen, wenn sie sie auf der Polizeiwache abholt? Das Lieschen ist ganz konzentriert auf diese und ähnliche Fragen rund um dieses junge Ding, dem die Welt doch noch offen stehen sollte. Fast noch ein Kind. Sicher noch nicht erwachsen. Über Gretes Erlebnisse vom Samstag ist das Lieschen auch bestürzt - der Bericht eines friedlichen geselligen Samstags hätte ja anders geklungen als das, was Lieschen eben lesen musste - aber so richtig nachdenklich machen sie ihre Vermutungen über dieses Mädchen.

Wie die sich wohl auf der Wache gefühlt hat? Ob sie dieses Umfeld längst gewöhnt ist? Grete hat ja berichtet, dass sie bereits polizeibekannt war. Lieschen wüsste zu gerne, was in diesem jungen Menschen vorgegangen ist.  Auf frischer Tat ertappt zu werden ist ja wahrscheinlich kein Pappenstiel. Oder vielleicht doch? Stumpft die Wiederholung ab? Was mag sie gefühlt haben, diese junge Fastfrau? Gelogen hat sie, schreibt die Grete. Natürlich, denkt das Lieschen. Wer in der Lage wäre, offen zuzugeben, was er tat, wäre vermutlich nicht gleichzeitig in der Lage, andere Menschen zu bestehlen. Oder doch? Kennt sie eigenen Besitz überhaupt? Weiß sie, dass „mein“ und „dein“ zwei Paar Schuhe sind? Oder hat sie früh gelernt, dass „ihre“ Dinge Familien- bzw. Gemeineigentum sind und Grenzen nicht existieren? Hat man IHR gelassen, was IHR gehörte? 

Was mag sie in der Familie gehört haben über die „Welt da draußen“? Geht es gerecht zu in der Welt? Was glaubten die Eltern des Mädchens? Mal angenommen, sie hätte tagein, tagaus gehört, dass ALLE ANDEREN unrechtmäßig zu viel besäßen, mal angenommen, dass sie gelernt hätte, dass sie und ihre Familie WEGEN der Anderen, wegen der ungerechten Verteilung zu wenig besäßen, wäre es da nicht verständlich, dass sie Gelegenheiten beim Schopfe packt, dieses „Unrecht“ zu korrigieren?

Oder müsste sie Mitgefühl haben? Mitgefühl mit der alten Frau, die Gretes Tante ist und vielleicht auch nur eine kleine Rente hat? Müsste sich das Mädchen in die Frau, die so ungeschickt in ihrer Handtasche kramt, dass ein Diebstahl ein Leichtes ist, hineinversetzen? Hineinversetzen können? Muss jemand die Gefühle anderer respektieren? Ja? Auch dann, wenn seine eigenen vielleicht niemals respektiert wurden? Ja? Wie, um Himmelswillen, soll ein Kind, dessen Gefühle vom Tisch gewischt werden, im schlimmsten Fall mit Füßen getreten werden und sich so fast von selbst abstellen, denn respektvollen Umgang mit Gefühlen lernen? Das ist doch unmöglich, denkt das Lieschen und meint damit im Moment nicht die Handlung des Mädchens, sondern die Möglichkeit dieses speziellen Lernens.

Was mag sie selbst noch fühlen? Überhaupt und vor oder während eines Diebstahls? Vielleicht nichts. Ist es dann nicht verständlich, dass es ihr vielleicht auch unmöglich ist, Gefühle, gleich welcher Art, in dieser alten Frau mit der Handtasche auch nur zu vermuten oder gar MITzufühlen?

Lieschen will hier keine Straftat verteidigen. Beileibe nicht. Das läge ihr fern. Sie findet die meisten Gesetze für ein soziales Zusammenleben wichtig und natürlich auch notwendig, dass sie gegenüber Gesetzesbrechern verteidigt werden. Und doch, hat sie Mitgefühl mit diesem Mädchen, das entgegen aller vorangegangenen Überlegungen vielleicht auch nur auf der Suche nach Aufmerksamkeit ist. Es ist möglich, denkt die Liese, dass dieses Kind – jetzt nennt sie sie doch Kind – einfach nur beachtet werden will. Ist es nicht so, dass wenn das Defizit an „Gesehenwerden“ sehr groß ist, der „Nichtbemerkte“ auch über Schelte, Bestrafung und Verachtung froh ist? Ist in einem solchen Fall nicht auch die negative Beschäftigung für den „Hungernden“ Nahrung? Nicht wohlschmeckend aber eben Nahrung?

Lieschen kommt zu ihren ursprünglichen Fragen zurück. Welche Art der Behandlung „blüht“ der Täterin? Von den Polizisten, die vielleicht Väter von Töchtern ihres Alters sind und von der eigenen Mutter, die diese Situation - und wer weiß was noch alles - offensichtlich schon einige Male erlebt hat?
Lauter Fragen, die das Lieschen natürlich nicht klären kann ohne dabei gewesen zu sein und ohne mit ihr gesprochen zu haben. Und vermutlich würde auch sprechen im ersten Moment nichts nützen. Spräche die Liese auf das Kind ein, verstärkte sich der Widerstand vermutlich und Fragen stießen wohl auch nur nach Zeiten „unendlicher“ Geduld auf eine irgendwie geartete Wahrheit.


Weil eine theoretische Lösung unmöglich ist und das Lieschen praktisch in diesem Fall nichts ausrichten kann stoppt sie nun bewusst ihre Gedanken daran, nimmt sich vor, in Zukunft Augen und Herz noch ein wenig geöffneter zu halten als sowieso schon und wendet sich in ihrem Inneren noch kurz Grete und ihrer Tante zu, denn natürlich hat sie auch für diese beiden viel Verständnis.




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