Natürlich hat die Grete Recht. Jeder Mensch muss sein Leben
so leben wie es ihm entspricht. Das hat sie gestern beim gemeinsamen Ausflug
immer wieder gesagt und Lieschen hat das bestätigt. Natürlich. Reinen Gewissens
möchte sich die Grete im Spiegel begegnen können. Das hat sie mit viel
Nachdruck gesagt und das Lieschen hat es
dann auf sich beruhen lassen. Für den Moment. Am Abend hat sie aber immer
wieder einmal über diese Sache mit dem Gewissen nachgedacht. Sie weiß nicht
wirklich, was ein gutes oder ein schlechtes Gewissen ist und wie das zustande
kommt. Woran richtet sich das denn aus? An den eigenen Normen und Werten oder
an denen der anderen, der Gesellschaft oder der Nachbarschaft.
Wenn Lieschen zum Club der Autofahrgegner gehören würde.
Wenn sie aus Überzeugung, aus Gründen des Umweltschutzes oder welchen Gründen
auch immer, Autofahren grundsätzlich ablehnen würde und diesen gestrigen
Ausflug mit Grete aber gemacht und auch noch genossen hätte, so wie sie es ja
tat, müsste sie wohl trotz der Freude ein schlechtes Gewissen haben. Denkt sie.
Oder doch nicht? Würde es einen Unterschied machen, ob die „Clubmitglieder“ vom
Autoausflug erführen oder sie es heimlich einfach gemacht hätte? Wonach richtet
sich so ein Gewissen?
Die Grete hilft den Menschen in der Nachbarschaft ja gerne.
Das Lieschen eigentlich auch. Die Liese weiß nur oft nicht, was wirklich eine Hilfe
wäre. Ist es für den alten Nachbarn eine Hilfe, dass man ihm alle Arbeiten und
Handlungen abnimmt oder wäre es ihm eine Hilfe, ihn in dem zu unterstützen, was
er selbst noch kann? Auch wenn das Geduld erfordert und von den anderen
Nachbarn als unterlassene Hilfeleistung bewertet würde? An was würde sich
Lieschens Gewissen orientieren? An der Bewertung der Nachbarn, des alten
Mannes oder ihrer eigenen, die Grenzüberschreitungen als „schlecht“ und
respektvollen Abstand als „gut“ bezeichnet?
Was macht so ein Gewissen, wenn es sich zwischen
verschiedenen Bewertungen entscheiden muss? Denn entscheiden müssen wir uns ja
immer. So ein Gewissen ist da ja nicht besser dran. Meint das Lieschen, das
sich während des Abends immer weiter in das gedankliche Gewissens-Problem
hinein „spiralisiert“. Wo mag sie wohl auskommen? Was, so fragt sie sich auf
dem Weg, ist wohl der Ursprung eines Gewissens? Und wofür ist das eigentlich gut?
Oder ist es schlecht? Ist es gut ein gutes Gewissen zu haben und ist es
wirklich schlecht ein schlechtes Gewissen zu haben? Oder könnte ein gutes
Gewissen auch schlecht sein, weil es einen vielleicht in einer Sicherheit
wiegt, die trügerisch ist und ein schlechtes Gewissen könnte vielleicht gut
sein, weil die zugrunde liegende Handlung einen Menschen vielleicht zu viel
Freude geführt hat, die er beim Bemühen ein gutes Gewissen zu erhalten niemals
erfahren hätte?
Auf was fußt dieses ominöse Gewissen? Und aus welchem Grund
wollen wir Menschen immer das „schlechte“ vermeiden und das „gute“ haben?
Ob ein schlechtes Gewissen krank macht? Das, was zu dieser
Art Gewissen geführt hätte, aber durchaus gesund gewesen wäre? Und ob ein gutes
Gewissen automatisch gesund erhält? Oder ist auch das völlig Zusammenhanglos?
Lieschen kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis und unterlässt
es diesmal auch, ihren Hermann mit ihren Überlegungen zu belästigen. Obwohl ihr
seine Gedanken zu von ihr aufgeworfenen Themen oftmals Futter liefern, das ihr gefällt. Aber es ist Abend und Hermann hat zu tun. In seinem eigenen
Universum. Angekündigt. Kein Problem, beschließt die Liese und unterlässt, wie
gesagt, die Störung. Und das nicht nur, um seinen Unmut über eine Störung zu
verhindern. Nein. Sie möchte auch ein reines Gewissen behalten. Oder macht sie sich da
etwas vor?
Lieschen belässt es bei der Frage an sich selbst. Geht ihr
aber nicht mehr aktiv nach. Stattdessen macht sie es sich gemütlich und summt.
In ihrem Bett. So wie heute mit der Grete in deren Auto, das sie noch Wagen
nennt und das das Autochen nun ersetzt. Sie summt und summt und summt … und
schläft darüber ein. Im Traum dann ist die Liese mittendrin in diesem
Balkonsingereispektakel, von dem die Grete gelesen und erzählt hatte.
Ob sie zu den Gewinnerinnen gehörte, erfährt die Liese nicht mehr. Denn
mittendrin klopft der Hermann an die Tür und berichtet ihr von irgendeiner
Kleinigkeit, die er trotz Versprechen zu tun vergessen hatte und nun doch noch
erledigt hat. „Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen als es mir einfiel“
sagte er zum verschlafenen Lieschen „und damit wollte ich den Tag natürlich nicht
beenden.“
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So ein Gewissen kann eine feine Sache sein, kann aber auch ziemlich belasten. Meines schlägt schnell an und ich habe dann ein schlechtes Gewissen lach. Mache mir einen Kopf wegen gar nichts. Aber Hermann finde ich richtig lieb, auch das er das Lieschen weckt. Am Abend muss alles ausgeräumt sein, damit man träumen kann. Geli
AntwortenLöschenLieschen,
AntwortenLöschen"ein reines Gewissen, ist ein sanftes Ruhekissen."
Was bedeutet das denn? Machen wir uns unser Gewissen selbst?
Ich frage es mich so oft. Was kann ich mit meinem Gewissen verein-
baren was nicht? Es sind immer wiederkehrende Fragen. Jeder muss
es für sich selbst und ganz allein entscheiden.
Und oft sagt man es auch nur so dahin. Muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man etwas vergißt?
Einen schönen Abend wünscht Dir
Irmi