Dass die Grete sich entschuldigen kann, wenn ihr mal was
danebengegangen ist, findet das Lieschen prima. Und die Art und Weise wie Grete
dann vom Zustandekommen des jeweiligen Malheurs berichtet, bringt die Liese
jedes Mal aufs Neue zum Lachen. Und natürlich nimmt sie, falls sie ihr galt,
die Entschuldigung jedes Mal gerne an.
Nicht weil ihr eine Entschuldigung wichtig wäre. Ohne Urteil
keine Schuld. Wer nicht verurteilt, verteilt auch keine Schuldigkeit. Und ohne
Schuld braucht es selbstverständlich keine Ent-Schuld-igung. Weiß sie heute.
Doch das war nicht immer so. Lieschen hat ja im Laufe ihres Lebens schon vielen
Menschen Leids zugefügt. Viele Jahre hat sie das einfach in Kauf genommen, weil
sie sich im Recht fühlte, glaubte, sich verteidigen zu müssen oder einfach weil
sie ihren Vorteil suchte. Und sie hat verurteilt, was das Zeugs hält. Alles was
nicht nach ihrer Mütze ging, hat sie als falsch hingestellt. Jedem, der ihr
nicht gab, was sie offen oder versteckt verlangte, hat sie beschuldigt und
verurteilt.
Auf die Idee der Entschuldung oder Entschuldigung wäre sie
lange Zeit nicht wirklich gekommen.
Lieschen stammt ja aus einem katholischen Haushalt. Also
einem sehr katholischen Haushalt. Familienmitglieder im Pfarrgemeinderat und
Kirchenvorstand. Religionsunterricht, Kommunion, Jugendarbeit. Sogar Vorbeterin
war unsere Liese in ihrer Jugendzeit. Und natürlich hatte sie von der
Notwendigkeit der Vergebung bereits gehört. Und natürlich nicht nur einmal.
Nein oft. Beinahe jeden Sonntag. Denn das ist ja der Tag, an dem es eine Stunde
lang unter anderem um die Befreiung von Sünden gehen soll. Jedenfalls
theoretisch.
Praktisch hat das Lieschen ganz anderes gesehen. Menschen
aus deren Mund Entschuldigungen kamen, die also vornerum sehr freundlich und
gütig wirkten, rammten sich hintenrum Messer in die Rücken.
In ihrer Zeit als aktive Katholikin war das Lieschen
komplett verwirrt. Sie war nicht in der Lage, die Lehre, die ihr vermittelt
werden sollte und die Praxis, die sie sah, zusammenzubringen.
„… und vergib uns unsere Schuld … wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern …“. Wie oft hat sie das mitgesprochen und was es bedeutet
hat sie bis heute nicht begriffen.
Viel später erst hat sie verstanden, dass es diese Schuld
möglicherweise gar nicht gibt. Weder in ihr noch in anderen. Sie hat dafür den
Weg der Entschuldigung gebraucht. Das hat ihr viel Arbeit gemacht. Damit hat
sie sich viel Arbeit gemacht. Und es hat sie befreit.
Heute glaubt sie, dass sie oft Fehler macht. Und das das im Leben gar nicht anders geht. Die Fehler versucht
sie zu ergründen, nicht zu wiederholen und falls jemand anderes in
Mitleidenschaft gezogen wurde, entschuldigt sie sich. Oft ungeachtet der
Tatsache, ob der andere ihr nun Schuld gibt oder nicht. Sie tut es einfach für
sich. Zu ihrer Befreiung. Falls es etwas „gut zu machen gibt“, dann versucht sie
das zusätzlich.
Andere machen auch Fehler in Lieschens Augen. Und damit ist
sie auch milde geworden. Mit den Jahren und mit wachsender Erkenntnis. Oft nimmt sie hin, was geschieht. Weil sie annimmt, dass es so sein soll wie es
ist. Woraus sie das schließt? Daraus, dass es so ist wie es ist.
Wenn sie aus Versehen oder aus alter Gewohnheit einmal
Schuld verteilt, holt sie sie meistens relativ rasch wieder zurück. Indem sie
den anderen entschuldigt oder indem sie das Wort tauscht. Wenn sie sich darauf
konzentriert, dass es sich statt um Schuld um einen Fehler handelt, erinnert
sie sich wieder, dass, wie das Wort ja schon sagt, etwas fehlt. Und das Fehlende könnte genauso gut wie beim
anderen auch in ihrer eigenen Betrachtungsweise liegen.
Wenn es aber, wie heute bei der Grete, zu einer
Entschuldigung nach den Folgen ungebetenen Besuchs kommt, mag das Lieschen das
auch. Und was sie am liebsten mag, ist das befreiende Lachen danach. Das heilt
alles. Meint sie.
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Ich hatte diesen Teil zuerst gelesen, aber vor dem Kommentieren bin ich doch erst einmal zur Grete gegangen. Es ist nicht leicht sich zu entschuldigen, aber es tut gut, wenn man es ehrlichen Herzens tut. Ich finde mich wieder in dem Text, ich weiß, dass ich das oft schreibe, aber dadurch freue ich mich immer besonders über jede neue Episode der Beiden. Fehler machen wir alle, aber sie zu erkennen damit zeigt man doch Größe Gruß Geli
AntwortenLöschenLieschen, wer unter uns ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.
AntwortenLöschenUnd wer keinen Fehler macht, der lebt nicht. Grete hat sich entschuldigt.
Sie hat ja eigentlich keinen Fehler gemacht - sie war nur ungerecht. Chef und Kollegen konnten nichts dazu, dass ihr eine Laus über die Leber gelaufen ist. Und da sieht man in Jedem eine potentiellen Mitverursacher für seine Missgeschicke. -ach - ist das kompliziert.
Einen guten Start ins Wochenende wünscht Dir
Irmi
einer meiner Lieblingssprüche ist "Fehler machen ist wichtig, weil man aus den Fehlern lernt".
AntwortenLöschenIch habe hier wieder sehr gerne gelesen :-)
lieber Wochenend-Gruß von Heidi-Trollspecht