Sonntag, 29. September 2013

Lieschen antwortet heute nicht

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 60 ---> guckst du hier


Das Lieschen kann auch kein Italienisch. Aber das macht ihr nichts aus. Jedenfalls heute nicht. Denn heute hat sie kein Mitteilungsbedürfnis. In keiner Sprache. Sie wüsste nicht, was sie erzählen sollte. Heute kann sie sich mal wieder gar nicht vorstellen, was andere interessieren könnte. „Das macht doch alles keinen Sinn“ sagt sie zu Hermann, der gemütlich am Küchentisch sitzt, seine Abendbrote isst und Politikerstatements zu bevorstehenden, oder eben aus vielen Gründen nicht bevorstehenden, Sondierungen studiert. Er guckt kurz hoch, betrachtet das Lieschen, guckt schnell wieder auf den Laptop, fragt „was?“ und scrollt weiter mit der Mouse.

„Genau“ sagt die Liese und geht wieder in ihr Zimmer. Dort hatte sie schon das gesamte Wochenende verbracht. Ganz in Gedanken. Über sich selbst, den „Mensch an sich“ und das, was Menschen so über sich preisgeben. Sie hat neben manch kreativen Dingen, die ihr Freude machen auch mehrfach ihre Facebookstartseite besucht und in verschiedenen Blogs gelesen.

Alle teilen irgendetwas mit. Was sie gestern getan haben, was sie für morgen planen, wer auf sie aufmerksam geworden ist oder auf sie aufmerksam werden soll. Sie erläutern ihre Meinungen oder mindestens die, von denen sie annehmen, dass sie keine Shitstorms auslösen. Oder beteiligen sich an Shitstorms. Das heißt, so musste das Lieschen in den letzten Monaten lernen, dass sie mit lauten unflätigen, beleidigenden Worten der virtuellen Welt erklären, dass ihnen das, was der Adressat ihrer Worte tat oder zu tun gedenkt oder was auch immer, nicht passt. Also nicht persönlich. Nicht in Jogginghose Aug in Aug. Nein. Virtuell.

Im Klartext heißt das: Pixel erklären mithilfe von Pixeln anderen Pixeln irgendwas. Wahr ist das nicht. Oder doch?

Lieschen geht noch einmal zu Hermann in die Küche und sagt „sind doch nur Pixel, oder?“ Hermann schaut wieder kurz hoch, fragt „was?“ und noch bevor er den Kopf wieder senken kann, sagt sie „alles, was du da so liest oder im Fernsehen guckst“. Hermann ist jetzt nicht nur ein bisschen genervt durch die Störung sondern auch ein wenig neugierig. Was ihn zu einer weiteren Frage bringt. „Was, um Himmels Willen meinst du?“ „Naja. All die Leute, all die Politiker, all die Journalisten, deren Meinungen und Statements du hier zu dir nimmst, sind doch nur Pixel im Falle vom Internet und Wellen oder so im Falle des Fernsehens. Oder etwa nicht?“ Spätestens jetzt glaubt Hermann, Lieschen stört nicht nur sein Abendritual, sondern ist auch gestört. Noch ein bisschen gestörter als sonst. 
Diese Schublade kennt Lieschen, fühlt sich ganz wohl darin und fragt ungestört weiter. „Die sind doch nicht echt, oder? Hast du irgendjemanden von denen schon mal persönlich gesehen?“ Hermann sagt „Nein, hab ich nicht“ und wendet sich wieder seinem Computer zu.

So kommt die Liese nicht weiter. Also wird sie konkreter und fragt ungeachtet des Desinteresses ihres Hermanns an einem Gespräch: „Was zum Beispiel denkst du über den Shitstorm, den Herr Berlusconi auf Facebook erlebt hat?“ Hermann stöhnt und sagt „Facebook? Facebook ist Mist!“ Das findet das Lieschen mittlerweile auch. Bringt sie aber nicht weiter. 

Sie muss einen Text als Antwort auf Gretes Tagesbericht schreiben. Und sie will um Himmels Willen nichts schreiben, was keine Bereicherung für die Lesenden ist. Davon wimmelt es ja im Internet und im Fernsehen. Von Mitteilungen, die niemanden interessieren, die nicht von Bedeutung sind, oft nicht einmal der Wahrheit entsprechen und vor allem keine Bereicherung sind. Geschrieben oder gesprochen von Pixeln oder Wellen. Je nachdem.

Lieschen hat keine Lust, sich darzustellen wie Herr Bohlen oder all die supertalentierten Menschen, die mal „im Fääärnseeeen“ wollen. Lieschen hat überhaupt kein Mitteilungs- oder Darstellungsbedürfnis. Hermann sagt, das hätte er auch nicht. Das könnte sie aber bereits an seiner abweisenden Art bemerkt haben. Er hätte ihr das schließlich Live gezeigt. 

Lieschen nickt und sagt„Ich hab nix zu sagen und will mit diesem nix nicht der Anlass für die Zeitverschwendung anderer Menschen sein, auch wenn ich die nicht kenne, weil sie nur Pixel sind.“ Als Hermann sagt „dann lass es doch und sag auch nix“, beschließt das Lieschen seinem Rat zu folgen und heute mal nichts auf Gretes Tagesbericht zu antworten.






Grete und Lieschen als kostenloses E-Book - die ersten 50 Kapitel: 

4 Kommentare:

  1. Facebook, wer den Umgang beherrscht kann eine Menge Spaß haben, aber viele haben das bisher nicht gemerkt und posten alles was sie bewegt. Ich mag facebook, aber ich merke auch, dass es mich irgendwie beherrscht, was ich nicht will. Lieben Gruß bin ein wenig wortlos heute, vielleicht liegt es am Wetter. Geli

    AntwortenLöschen
  2. Lieschen, dafür, dass du nichts zu sagen hast, war es aber doch eine ganze Menge. Ich bin nicht bei Facebook und möchte es auch nicht sein.
    Oder ist das etwa eine Bildungslücke?
    Einen guten Start in die neue Woche wünscht Dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Brigitta,
    ich bin bei Facebook. Eigentlich aber nur deswegen, weil ich zusätzliche Kontaktmöglichkeiten habe (z.B. Verabredung zu Rennradtouren). In Facebook steht mir zuviel Schrott, was so gepostet wird. Es gibt zwar auch diverse Blogs, in denen Schrott steht. Qualitativ ist das unterm Strich immer noch besser als Facebook. Shitstorm scheint mir mehr ein Modewort zu sein, dass die normalen Regeln für eine persönliche Kommunikation im Netz offensichtlich nicht gelten.

    Gruß Dieter

    AntwortenLöschen
  4. Manchmal mag oder kann man sich einfach nicht mitteilen, im richtigen Leben und erst recht in der virtuellen Welt – obwohl das mitteilen da einfacher scheint, wenn man sieht, was da so alles kundgetan wird.

    Lieschen möchte nur erzählen, was andere interessiert oder sie zumindest bereichert.
    Die Frage ist: Wen soll es interessieren oder bereichern? Alle?
    Nee, das geht natürlich nicht. Aber zumindest einige, oder?.

    Ich staune immer wieder, wie locker sich andere in FB oder anderswo mitteilen und komisch – gerade an diesem Wochenende hatte ich die gleichen Gedanken wie Lieschen.
    Mein Mitteilungsbedürfnis war auf dem Nullpunkt.
    Dann habe ich mich aber doch mit einer Freundin darüber ausgetauscht und ihr gerade dieses mitgeteilt. Das war gut, denn so konnte ich mich in meinem Nicht-Mitteilungsbedürfnis sicher fühlen.
    Alles hat seine Zeit und es kommt auch auf die Erwartungen und den Anspruch an, den man hat.
    Bis zu den Pixeln bin ich noch nicht durchgedrungen. Ich war bei den Buchstaben, die sich zu irgendwelchen Worten formen, die zuweilen bedeutungslos scheinen. Eine Aneinanderreihung von kleinsten sprachlichen Einheiten.
    Mit Wahrheit hat das oft nichts zu tun und jeder macht sich doch durch seine Sichtweise eine eigene Wahrheit.
    Ist also FB Mist? Ja/Nein/Vielleicht...würde ich sagen und mir so alle Optionen offen halten.
    Ich wollte schon oft verschwinden, da und auch woanders. Ich kenne mich aber, ich würde evt. doch wieder kommen und dann wäre das Verschwinden doch eine absurde Aktion.

    Lieschen, ich kann dir nur sagen, du hast viel bereicherndes mitzuteilen, auch jetzt wieder.
    Denn dein Bedürfnis, dich nicht mitzuteilen, ist anregend genug.
    Toleranz und Akzeptanz sind hier mal wieder gefragt.
    Ich finde, man darf sich auch in Schweigen hüllen. Auch dieses teilt etwas mit.

    Lieben Gruß
    Enya

    AntwortenLöschen

Herzlichen Dank für Euer Interesse und die den Blog so sehr bereichernden Kommentare!
Beides ist sowohl der Liese als auch mir eine große Freude! :-)))