Lieschen liebt das Leben auf dem Boden. Also liebt sie auch
Picknicks. Sie hat es gerne, wenn alles ganz ursprünglich zugeht. Und sie liebt
Geselligkeit. Natürlich nicht immer. Aber manchmal. Und dann kostet sie das
voll aus. So wie gestern.
Wie gut, dass das Mittwochs-Stammcafé gestern geschlossen
hatte und die Grete auf die prima Idee gekommen ist, ihr gewohntes Treffen auf
ungewohntes Terrain zu verlagern. Eine Wiese. Die Wiese am Fluss. Dort war
Lieschen schon manches Mal. Alleine. Dann hat sie sich abseits aufgehalten und
den Menschen beim Leben zugesehen. Den Alleinstehenden, den Pärchen, den Grüppchen
und den Familien. Sie hat geschaut, was sie tun und was sie nicht tun. Und
rausgehalten hat sie sich. Immer.
Gestern ging das nicht. Gestern sind Grete und Liese quasi
adoptiert worden von einer türkischen Großfamilie. Vier Generationen. Mit
Stühlchen und Tischen, Decken und allem, was man für ein südländisches Picknick
so braucht. Viele Menschen, viel Essen und viele Getränke, angenehme
Temperaturen und eigentlich auch Ohrenschützer. Südländer sprechen nämlich alle
gleichzeitig und laut. Naja. Nicht alle. Aber die netten Leute von gestern
haben Lieschens Vorurteil tatsächlich alle Ehre gemacht.
In verschiedenen Sprachen haben sie gesprochen. Laut
gesprochen. So gesprochen, dass die Liese manchmal dachte, sie streiten sich.
Als sie erschrocken nachfragte, wurde ihr jedes Mal versichert, dass alles in
bester Ordnung sei. Lieschen brauchte die Erklärung, weil sie die Alten nicht
verstand. Die sprachen natürlich türkisch, die nächste Generation sehr
gebrochenes Deutsch und die Jüngeren ziemlich gutes Deutsch. Hier geboren und
kontaktfreundlich zu sein, hilft natürlich sehr.
Beide. Grete und Liese haben es genossen, die Geschichten
aus der türkischen Heimat zu hören, die für alle ja in weiter Ferne ist und
die sie immer noch so nennen, auch wenn die meisten schon in Deutschland
geboren wurden. Die Gerüche, die Sprache, die Gewohnheiten.
Ein bisschen schwer
ist es hier, sagten die Alten am Abend in ihrer Sprache und die Jungen
sorgten dafür, dass unsere beiden Damen davon Kenntnis bekamen. Sie sagten,
dass ihnen manchmal das Verständnis ihrer Gastgeber dafür fehle. Sie seien im
Grunde gerne hier, sagten sie, doch seien manche Gewohnheiten der Deutschen
dermaßen ungewöhnlich für sie, dass sie sich trotz des langen Aufenthalts hier
immer noch ein wenig schwer damit täten. Sie wollten sich immer integrieren.
Aber manche Hürde ließe sich einfach nicht oder erst durch die Jungen
überwinden.
Dass die Grete und das Lieschen dafür Verständnis zeigten,
wurde mit großem Hallo und üblichem „Lärm“ honoriert.
Sie haben miteinander gegessen, getrunken, getanzt und
gesungen. Die türkischen Lieder kannten die Grete und das Lieschen nicht. Doch
die Texte sollten sie verstehen. Also bekamen sie deutsche Zusammenfassungen.
Sehnsucht und Wiederkehr kam oft darin vor. Eins handelte von der letzten
Reise, die sie selbstverständlich in die Türkei unternehmen werden. Im Sarg.
Jedenfalls die Alten. Begleitet von den Jungen zum letzten Fest. Heimaterde
bleibt Heimaterde.
Es war ein schöner Tag mit der fast integrierten türkischen Familie,
die die beiden deutschen Damen völlig selbstverständlich integriert hat.
Liebe Brigitta,
AntwortenLöschenich habe es schon bei Frl. Grete gesagt: Gut, dass der Ball auf den Kuchen gefallen ist.
Und an der Gastfreundschaft sollten wir uns öfter mal ein Beispiel nehmen.
Aber wenn man es recht bedenkt, können wir uns auch nicht an alle Gepflogenheiten von ihnen gewöhnen. Da ist gegenseitiges Verständnis angesagt.
Einen schönen Abend wünscht
Irmi
Hallo liebe Irmi,
Löschenherzlichen Dank dir so dermaßen treuer Leserin!!!
Eine große Freude ... :-)))
Ja. Das ist alles wie im "echten" Leben. Ohne Verständnis klappt gar nix im menschlichen Zusammenleben.
lieben Gruß
Brigitta
"quasi adoptiert worden" klingt gut.
AntwortenLöschenhab einen feinen tag.
liebst ninja
Danke!!!
Löschendir auch ... :-)))
Brigitta
Ja, so kann sie aussehen, die Integration und für diese Momente scheinen dann die Hürden, die diese Menschen hier begleiten ziemlich klein.
AntwortenLöschenSpontan, ohne nachzudenken, hier mitzumachen, "adoptiert" zu werden, bewirkt sicher auch, dass so manche Schranke gar nicht aufgebaut wird und man offener ist - von beiden Seiten.
Ein Verstehen kann wohl nur über das Erleben erfolgen, den Austausch und seien es auch "nur" kulinarische Genüsse und Musik.
Manchmal vergessen wir, dass die Gewohnheiten unserer ausländischen Mitbürger nicht nur für uns fremd sind, sondern dies auch umgekehrt gilt. Und dass man sicher in umgekehrter Situation die Heimat auch vermissen und die Sehnsucht nicht aufgeben würde.
Ich finde, das war ein tolles Erlebnis für alle und zuweilen frage ich mich, warum wir es uns oft so schwer machen mit dem Verstehen, dem Tolerieren,dem aufeinander Zugehen.
Sehr gut geschrieben, so, dass man sich als Leser richtig wohl gefühlt hat.
Lieben Abendgruß
Enya
Liebe Enya,
AntwortenLöschenich weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht einfach ist als Fremder in der Fremde zu leben und bei allem Bemühen, um erfolgreiches Integrieren, bleiben immer ein paar unüberwindliche Details.
Deine Einschätzung, dass sich der Leser beim Lesen dieses Beitrags so richtig wohlfühlen kann, ist mir eine besondere Freude!
Danke!
lieben Gruß
Brigitta