Montag, 7. Oktober 2013

Lieschen und das Geheimnis der Faulheit

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 66  ---> guckst du hier 

Lieschen hat die wunderbare Herbstsonne heute auf der Terrasse des Italieners am Marktplatz verbracht und Tagliatelle mit dem super-leckeren sizilianischen Pesto gegessen. Weil sie immer vergisst wie ihr Lieblingsgericht heißt, hat sie auch heute wieder „die gebügelten Nudeln mit dem trockenen roten Pesto“ bestellt. Der Kellner wusste Bescheid. Zum Glück.

Morgens hatte sie auf Irmtrauts Blog von Faulheit gelesen. Die, so erfuhr sie dort, könne man von den Tieren lernen. Selbst die Ameisen, diese fleißigen Tierchen, die uns schon die Bibel als Vorbilder empfiehlt, schuften wohl hart, aber die sind klug genug, sich zweidrittel ihrer Lebenszeit auszuruhen.

Als Lieschen las „Löwen liegen 22 von 24 Stunden herum und selbst Bienen verbringen nur 30%  des Tages mit Arbeit“ jubilierte sie, erinnerte sich an die Hunde und Katzen, mit denen sie im Laufe der Jahre schon zusammengelebt hatte und beschloss, den heutigen Tag noch bewusster als sonst der Faulheit zu widmen.
„Auf der faulen Haut liegen, haben wir ja alle verlernt“ dozierte sie dem Hermann ins Frühstücksei. „Als Babies konnten wir das ja alle noch wunderbar.“ „Mhm“ murmelte der Hermann mit vollem Mund und kaute gemächlich weiter. „Naja, was erzähl ich das DIR?“ fragte die Liese rhetorisch. Und Hermann murmelte „was weiß ich?“ ER kann das nämlich. Irgendwie schon immer. Er erledigt Dinge, er arbeitet und er ruht sich aus. Völlig ausgewogen. Vielleicht sogar im „Mischungsverhältnis“ der Ameisen. Er bekommt keinen Burnout. Er ist zufrieden und gesund. Ihm wurde die Klugheit in diesen Dingen offensichtlich nicht aberzogen. Er war kein Kind einer Mutter, die sich über den Erfolg ihres Kindes definierte. Wie "Ingeleins" Mutter auf Gretes Mittagsspielplatz. Vielleicht wurde er nicht angetrieben zu immer höheren Leistungen. Vielleicht hat er aber auch die natürliche Faulheit im Laufe seines Lebens wieder neu gelernt. Lieschen hätte gerne mit ihm darüber gesprochen. Aber erstens hatte er offensichtlich keine Lust dazu und zweitens kamen ihr auch ihre eigenen Gedanken in die Quere.

Sie selbst war nämlich die meisten Jahre „ein Kind ihrer Zeit“. Fleißig, überfleißig, oft sinnlos fleißigfleißig. Sie hatte die Verhaltensweisen ihrer Mutter und vieler anderer Frauen in ihrer Umgebung abgeguckt und übernommen. „Nur nicht untätig sein“ schienen sie stets ohne Worte zu sagen und machten weiter. Immer weiter. Irgendwas.
„Nur nicht zur Ruhe kommen“ schien das Motto und vielleicht auch die Notwendigkeit. Verständlich für diese Generation, meint das Lieschen. Die Kriegsereignisse, der Aufbau, die Last, die Verantwortung. Kaum auszudenken, was alles auf den Schultern und den Seelen dieser Frauen lag und liegt. Vielleicht wären die seelischen Überschwemmungen innerhalb echter Ruhephasen gar nicht zu verarbeiten oder auszuhalten gewesen.

Frauen der nächsten und übernächsten Generation dürften sich eigentlich die notwendige Ruhe im Leben gönnen können. Vielleicht müssten sie sogar. Im Sinne ihrer Gesundheit. Denkt die Liese in ihrem jugendlichen Leichtsinn und doch beobachtet sie die fehlenden Ruhephasen allüberall. Speziell bei den Frauen. Bei denen, die ihre Häuser „auf schöner wohnen“, ihre Kinder für „Deutschland sucht den Superstar“ und sich selbst für einen Aufenthalt in einer Prominervenheilanstalt vorbereiten. Muss ja was hermachen.
Wer wären sie, ihre Männer und Kinder, wenn sie auch einmal faul wären? Wer wären sie, wenn sie nicht mithalten würden mit dem Wahnsinn der Zeit? Wer wären sie, wenn sie sich Ruhe gönnten?

Lieschen kann es sich leisten, solche Fragen zu stellen. Denn sie weiß, dass es nicht leicht ist, den mit der Muttermilch aufgesogenen und den am Vorbild gelernten Stress zu beenden. Doch sie tut ihr Bestes. Sie macht ein paar Schritte vorwärts und ein paar weniger zurück. Manche auch im Liegen. Innerlich kommt sie vorwärts. Zu sich. Zur Ruhe. Dieser natürlichen Gabe, die allen Lebewesen zu Eigen ist. Zum Zeitpunkt der Geburt und später auf dem Rückweg.

Das bereits gestresste und kontrollierte „Ingelein“, mit dem Grete heute in der schönen Sonne zu tun hatte, hat diesen Rückweg noch vor sich. Die Liese wünscht dem Kind das Glück, eines Tages das Geheimnis der Faulheit wieder zu entdecken. Mit ihrer Mutter oder auch gegen deren Willen. Mag sein, dass auch sie, auch darin, das Leben findet.




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8 Kommentare:

  1. Lieschen kann es und ich hoffe auch, dass Ingeleins Mutter es irgendwann begreift, wag es aber zu bezweifeln.Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass ein Fautier 20 Std. schläft und nur für die menschlichen Bedürfnisse vom Baum klettert, warum das so ist, ist nicht erforscht. Wir müssen uns davon was abgucken.....

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  2. ich habe irmis post auch gelesen...das ist doch mal ein vorschlag den man berücksichtigen sollte.
    aber ob lieschen (und auch ich) mal sooo schön relaxen können? ;-))
    LG

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  3. Ach, wenn es bei mir ab und zu wie bei schöner wohnen aussieht, da hab ich schon nichts dagegen *grins*
    Aber es lässt sich nicht leugnen, ich kann fleißig sein, wenn es sein muss, aber Faulheit liegt in meinem Naturell :-)
    liebe Grüße, Petra

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  4. Ja, liebes Lieschen nun musste ich erst noch schnell zur Irmi gehen und dort den Post über die Faulheit lesen. Ich kann auch schön faul sein, das gefällt mir und gerade am Wochenende brauche ich einfach zeitweise das Faulsein und das tut sooo gut und gibt wieder Kraft für Neues.

    Viele liebe Abendgrüße

    Kerstin

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  5. Wow, für mich einer deiner besten Texte! Der "Wahnsinn der Zeit", alles und jeden nur noch zu definieren über Leistung und Materielles und all den andern Kram, der so essentiell nebensächlich ist - was für ein Thema!!!
    Liebe Grüße
    Christiane

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  6. Lieschen, ich freue mich, das mein Post dich zu diesen Gedankn
    angeregt hat. Hoffentlich kapiert Ingeleins Mutter auch noch, dass
    Faulsein soooo gut tut. Ich gebe ja zu, dass es nicht leicht ist -
    aber man kann es lernen - und dann ist es ein Erholung!
    Einen schönen Abend wünscht
    Irmi

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  7. „Das Geheimnis der Faulheit“ – ja für uns Menschen scheint Faulheit wirklich eine Art Geheimnis zu sein, ein Buch mit sieben Siegeln quasi, die wir nicht öffnen können.
    Ich habe auch Irmis Post gelesen, das hat etwas und es gefällt mir sehr.
    Ich muss nur meinen Kater anschauen, der den Tag (und die Nacht) in seliger Faulheit verbringt, dabei wunderbar entspannt ist.
    Oft liegt er quer über meinem Schreibtisch, wenn ich arbeite und zuweilen legt er sich dann auf die Tasta oder meine Arbeitspapiere, als wolle er sagen: Gut is....
    Durch und mit ihm komme ich tatsächlich oft zur Ruhe.
    Wer fleißig ist, bekommt Anerkennung, auch heute noch.
    Schon die alten Griechen sahen im Müßiggang Positives, nicht das andauernde Tätigsein war Ziel im Leben, sondern einen Gleichklang zu finden mit der Natur und der eigenen inneren Ruhe.
    Heute scheint mir ein Aktivismus Vorrang zu haben, egal um welchen Preis. Man muss sich rechtfertigen, wenn man faul ist, also nichts tut. Es fehlt die Zweckgebundenheit im Nichtstun, die überall vorherrscht.
    Vielleicht ist es auch manchmal eine Art Leere in unserem Leben, die durch ständiges Tun ausgefüllt werden muss.
    Faulheit heißt doch, nicht immer mehr wollen, sondern sich begnügen, zufrieden zu sein.

    Bei Kindern, die durch überehrgeizige Eltern auch in diese „Fleißschablone“ gepresst werden geht diese Selbstzufriedenheit verloren. Ich kenne kein Kind, das es noch aushält, sich mal zu langweilen. Jede Minute muss angefüllt sein mit Tätigkeit.
    Das finde ich bedenklich.
    Ich finde Faulheit wichtig. Es ist ja nicht so, dass man dann gar nichts tut. Vielleicht hängt man seinen Gedanken nach oder schöpft Kraft für Kommendes, das einen wieder fordert.

    Ich finde es so schön, dass Lieschen herausgekommen ist aus dem sinnlosen Fleißigsein, auch mal den Rückwärtsgang einlegen kann.
    Ich selbst versuche es immer wieder und obwohl es schwierig ist, gelingt es langsam doch.
    Ein Dank an Lieschen, dass sie dieses Thema angesprochen hat und uns Leser wieder zum Nachdenken herausfordert.

    Ob die kleine Inge es je schaffen wird? Ich weiß es nicht, hoffe es aber sehr und wünsche es ihr, wie so vielen Kindern, die schon allzu früh in diesen Aktivismus hineingepresst werden.

    Lieben Gruß
    Enya

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Herzlichen Dank für Euer Interesse und die den Blog so sehr bereichernden Kommentare!
Beides ist sowohl der Liese als auch mir eine große Freude! :-)))