Dienstag, 17. September 2013

Lieschen erzählt über Hilfsbereitschaft, Hilfe und eigene Kraft

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 52 ---> guckst du hier

(Info für die, die es noch nicht wissen: Lieschens Antwort auf Gretes abendlichen Tagesbericht erscheint ab sofort nicht mehr unbedingt am gleichen Tag, aber spätestens bis zum nächsten Mittag)


Wenn der Herr Heinevetter vor Hermanns Augen hingefallen wäre, dann hätte er Glück gehabt und die Grete hätte gestern nicht über fehlende Hilfsbereitschaft schreiben müssen. Der Hermann ist nämlich unerschrocken, auch angesichts erschreckender Ereignisse. Jedenfalls meistens. Jedenfalls mitten in der Situation. Hinterher sieht es manchmal ein bisschen anders aus.

Neulich kam er von einem seiner üblichen Spaziergänge aus dem an Wochentagen relativ menschenleeren Park ziemlich aufgelöst zurück. Noch bevor Lieschen ihn fragen konnte, was passiert war, sagte er immer wieder „ach hätte ich doch mein Handy mitgenommen“ und „ab sofort nicht mehr ohne Telefon … auch wenn ich nur kurz draußen bin“. Der Hermann macht nämlich keine langen Spaziergänge. Niemals. Er geht ganz oft am Tag ein bisschen raus. Kurze Wege. Das gefällt ihm. So wie all die Jahre mit dem Hund. Kleine Ründchen. Dafür oft. Das macht er seit er nicht mehr raucht. Hätte er sich früher für ein kurzes Päuschen auf die Terrasse gesetzt, so wie Lieschen das heute noch macht, geht er heute mal eben um den Block oder in den Park. So wie an diesem Tag, an dem er beschloss niemals mehr ohne Handy vor die Tür zu gehen und diesem alten Mann begegnete. Glücklicherweise.

Er saß, so erzählte der Hermann der Liese mit ganz schmutzigem Mantel auf einem Mäuerchen an einem menschenleeren Weg. Weit und breit niemand. Nur der Hermann. Als der an ihm vorbeikam fragte der Mann ganz höflich, ob er ihm bitte helfen könne. Er hätte was mit dem Herzen und er glaubt ins Krankenhaus zu müssen. Weil der Hermann aber nun kein Telefon dabei hatte, musste er seinerseits nach Hilfe Ausschau halten. Kein Mensch zu sehen und das nächste Sträßchen mit den Häusern viele Schritte entfernt. Also fragte er den Mann, ob er eben warten könne, während er ein Telefon suchen ginge. Das wollte der Mann in seiner Angst aber nicht, also stützte der Hermann ihn bis in die Nähe des ersten Hauses und setzte ihn dort wieder auf eine Mauer. Dann hatte er seine liebe Müh und Not ein Haus zu finden, dessen Bewohner zu Hause waren und auch noch bereit, die Tür zu öffnen.

Gottseidank ist alles gut ausgegangen. Irgendwann fand er jemanden, der den Rettungsdienst benachrichtigte. Der kam bald, brachte den alten Mann ins nächstgelegene Krankenhaus  und offensichtlich geschah letztlich alles doch noch perfekt und rechtzeitig.

Dieser Mann sah in seinem schmutzigen Mantel auch ein bisschen wie ein Penner aus. Sagt der Hermann. Doch kam das wohl von den Stürzen, die er infolge seines unwohlen Herzens schon hinter sich hatte. Dem Hermann war das Aussehen des Mannes allerdings völlig schnuppe.

Das Lieschen ist froh, dass es beherzte Menschen wie Hermann gibt, die sich nicht fürchten oder lange Gedanken machen, sondern einfach zupacken. Kein Urteil. Sondern einfach eine angemessene Tat.

Aber man hört so viel in den Medien, denkt das Lieschen. So oft berichten sie über Helfer, die selbst in Not geraten. So oft wird über die Fälle berichtet, in denen irgendetwas schiefgelaufen ist. Ganz selten nur hört das Lieschen von Fällen der Zivilcourage oder Hilfe, die gutgegangen sind. Würden positive Nachrichten die potenzielle Hilfsbereitschaft der Menschen hervorlocken?

Lieschen könnte nicht so empört sein wie der Heinevetter und die Grete. Sie versteht auch die Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, zurückhalten. Vielleicht trauen sie sich die Hilfeleistung nicht zu? Vielleicht haben sie selbst sehr große Angst? Vielleicht. Vielleicht.

Dass Herr Heinevetter in seiner zunächst hilflosen Position, auf dem Boden liegend, Angst hatte, das kann das Lieschen gut verstehen und dass ihm nicht gefiel als Penner bezeichnet zu werden, ebenfalls. Dass er aber übersieht, dass er im Grunde gar keine Hilfe brauchte und es ihm offensichtlich glücklicherweise gelungen ist, aus eigener Kraft aufzustehen, stimmt die Liese nachdenklich.




3 Kommentare:

  1. Mal wieder ne ganz andere Sichtweise. Kann man drüber nachdenken...
    Liebe Grüße
    Christiane

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  2. Hmmm, was sind das denn für kleine Ründchen, die der Hermann da andauernd dreht (seit er nicht mehr raucht)? Das lässt mich doch grübeln....

    Zumindest aber bieten sie Gelegenheiten für seine Hilfsbereitschaft.
    Es gibt solche Menschen, die immer zupacken. Vermutlich hätte Hermann dem Herrn Heinevetter aufgeholfen, ihm den Anzug abgeklopft und die Rosen wieder schön geordnet. Und Herr Heinevetter hätte sich nicht so empören müssen (und die Grete auch nicht).

    Aber meist ist das doch eher so, dass nicht hingeschaut , eher der Kopf weggedreht wird und alle haben es plötzlich entweder eilig oder stehen wie festgewachsen und scheinen erstarrt. Dann kann man auf einmal hinschauen, so, dass es schon ein Gaffen ist.

    Aber Lieschen hat Recht. Zivilcourage in diesem Sinne kann auch in die Hose gehen. Man hat ja schon so allerlei in den Medien gehört.
    Ich finde aber, man muss sich zumindest vergewissern, also eben hinschauen, was da los ist. Bei Unsicherheit würde ich mir allerdings Hilfe holen (falls möglich). Wenn man die Menschen direkt anspricht, sind sie eher bereit, auch mal etwas zu machen.

    Mit den positiven Nachrichten bezüglich Hilfsbereitschaft ist das so eine Sache. Ich meine, dass das Negative viel rascher und in breiterem Umfang durch die Medien läuft und kleine positive Hilfsaktionen einfach nicht so interessant sind.
    Oft sind es auch die "stillen" Helfer, die eben nichts an die große Glocke hängen.
    Kann doch sein, oder?

    Aber ich verstehe auch, wenn jemand eher zögerlich ist mit seiner Hilfe, Angst hat.
    Wichtig ist aber dennoch, nicht einfach weiterzugehen, sondern sich dann entsprechende Verstärkung zu holen.
    Musste der Hermann ja auch irgendwie.

    Wieder mal eine Sache, die nachdenkenswert ist und die eindeutig zwei Seiten hat und daher auch unterschiedliche Sichtweisen rechtfertigt.
    Tja, der Herr Heinevetter hat wohl wirklich nicht ernsthaft Hilfe benötigt.
    Aber manchmal tut es gut, sich zu empören...

    Liebe Grüße
    Enya

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  3. Hallo :D

    Ich denke, dass viele gute Nachrichten über "erfolgreiche" Hilfsaktionen sicher die allgemeine Hilfsbereitschaft fördern würden.
    Die Frage ist nur, wo fängt man da an? Wir kennen doch alle positive Beispiele - kleinere und größere.

    Gerade die kleineren Dinge sind für den Helfenden meist "nicht der Rede wert" und schnell vergessen. Doch hilft keiner, dann sind wir genervt und können uns da richtig reinsteigern.
    Das ist wie mit der Schlage im Supermarkt... "Immer stehe ich an der langsamsten an. *mimimi*"

    Wenn wir alle mehr auf die kleinen positiven Dinge im Alltag achten würden, dann käme uns die Welt sicher ein ganzes Stück freundlicher vor.

    Hermann und deine Geschichte sind da auf ihre Art schon mit einem guten Beispiel voraus gegangen.

    LG
    EmKa

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