Dass das Fräulein Grete einen ganzen Tag ihrer Entspannung
gewidmet hat, findet das Lieschen prima. Manchmal macht sie sich nämlich Sorgen
um ihre Freundin Grete, die in ihren Augen viel zu viel arbeitet und viel zu
wenig chillt. Das Wort kennt die Liese von der Nachbarstochter. Die ist
Expertin im Chillen, ganz zur Freude ihrer Mutter. Aber das ist ein anderes
Thema.
Das Lieschen selbst hat ja schon seit einiger Zeit die
Entspannung zum Programm in ihrem Alltag gemacht. So wie sie früher gearbeitet
hat, entspannt sie jetzt. Mit ganzer Kraft und auch in Englisch. Mit System und
ohne Feierabend.
Das hat ihr die griechische Ärztin in schwer verständlichem gebrochenem
Deutsch im deutschen Krankenhaus geraten, als ihr die Liese mit dem
Notarztwagen auf die Station gespült
wurde und zu Fall Nr. xy mutierte. Erst hat sie die Liese tagelang durchs ganze
Krankenhaus geschickt. Jede Menge lustiger Untersuchungen hat sie ihr aufs Auge
gedrückt. Ultraschall, Geräte um den Hals, Röhren, klebrige Pastillen auf dem
Kopf und noch manches andere. Dann hat sie
sich mit ihren Kollegen beraten, ins übliche Medikamentenkistchen gegriffen und
als sie die Liese zum zweiten Mal sah, gesagt, sie soll wieder nach Hause gehen
und sich entspannen. Jedenfalls klang es ungefähr so.
Den Entlassungspapieren konnte sie trotz der ein oder anderen
Ungereimtheit in sprachlichen Dingen, entnehmen, dass sie im Grunde gesund ist
und der Grund für ihre Einlieferungsbeschwerden im Dunkeln liegt und da wohl
auch bleibt.
Fein, dachte sich die Liese, dann ist meine Arbeit also
jetzt die Erholung. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten kann sie das heutzutage
ganz prima. Wenn sie gefragt wird, was sie denn so tut, den lieben langen Tag,
dann sagt sie: Nix. Das stimmt nicht wirklich, aber sie findet das mittlerweile
lustig, wenn die Fragenden betreten zur Seite gucken, verständnislos über sie reden, wenn sie
sich weg gedreht hat und ihr erklären wie wesentlich doch ihre eigenen Aufgaben
und Arbeiten sind. Auch ohne irgend eine Frage danach.
Manchmal setzt sich die Liese auf die Bank mitten auf den
Marktplatz der Kleinstadt, in der sie lebt und betrachtet sich die Menschen wie
sie hektisch von A nach B laufen, schwere Tüten schleppen, kurz stehen bleiben,
lamentieren, weiter rasen und im Grunde so ziellos wirken. Sie hält sich dann
selbst für eine Art Fels in der Brandung. Für jemanden, der die Stellung hält,
während um sie herum der Sturm tobt, der vielleicht eines Tages alles nieder reißt. Wer weiß.
Demnächst würde sie das auch gerne mal mit der Grete machen.
Einfach still auf der Bank mitten auf dem Marktplatz sitzen und gucken.
Vielleicht macht sie mit. Vielleicht auch außerhalb eines Mittwochs oder
Sonntags. Sie hat ja heute schon geübt. Das Lieschen freut das.
Dieses "Nix" - hach, mit welchem Selbstbewusstsein das herauskommt. Man kann es nur bewundern. Wer traut sich schon zuzugeben, dass er gerade mal nix zu tun hat und das auch noch genießt?
AntwortenLöschenHeute ist ja allüberall die stressgeladene Betriebsamkeit angesagt.
"Schön, dich zu sehen....wir reden mal...aber jetzt...sorry, du weißt ja, die Pflicht..." Und schon rauscht man davon.
Ich finde, Lieschen macht es richtig - nichts ist so wichtig wie die Gesundheit.
Das Chillen mit Grete ist nur zu empfehlen, wird beiden guttun.
lg
Enya
Ja, Enya, so wie du es beschreibst, haben wir (fast) alle gelernt, uns zu verhalten und leider ist es den meisten von uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es Anlässe braucht, das eigene (schafsherdengleiche) Verhalten zu überprüfen und vielleicht gar zu ändern.
AntwortenLöschenIch finde auch, die Liese ist mutig und macht es richtig ... :-)))
lieben Gruß und wieder Danke fürs Lesen und den Kommentar
Brigitta