Eigentlich liebt das Lieschen den Mittwoch. Jede Woche
wieder. Mittags steigt sie in die Straßenbahn. Dort liest sie oder betrachtet
die Mitfahrenden. Vielleicht lässt sie sich in das ein oder andere Gespräch
verwickeln oder schaut aus dem Fenster. Und dann trinkt sie Kaffee. Im Café. Am
reservierten Tisch mit dem Fräulein Grete. Kurz und gut. Mittwoch ist ein
wunderbarer entspannter Tag. Jedenfalls war das immer so. Bis gestern. Aber
nicht einschließlich.
Die Grete hat sich nämlich vorgenommen, wieder sportlich zu
werden. Wahrscheinlich eine ähnliche Aktion wie „jetzt nehme ich ab“, dachte
das Lieschen als die Grete ihr davon erzählte. Sie sagt es und tut nichts in
dieser Richtung. Aber nein! Sie plante, mit dem Fahrrad zum wöchentlichen
Mittwochstreff zu kommen. „Na gut“, sagte das Lieschen „jeder wie er will. Viel
Spaß!“.
„Neinneinnein!“ schrillte Gretes Stimme aus dem Telefon. „Wenn du meine
Freundin bist, dann kommst du auch mit dem Rad!“ Der Ton hielt sich lange im
Ohr und machte ihr klar, dass Widerspruch zwecklos wäre. Aber Lieschen hatte
keine Lust zu einer Kamikazefahrt durch die Stadt, die ihre untrainierten Beine
in Knoten verwandeln würde. Also griff sie zu einer List und säuselte „Na klar“,
„gute Idee“ und „selbstverständlich“ ins Telefon. Grete war zufrieden und
Lieschen raste zu Hermann und brüllte „ich brauch deine Saxonette. Morgen!“.
„Geht nicht. Ist auseinander gebaut. Vergaser“. Für diese
Meldung schaute Hermann nicht einmal vom Computer auf. „Ach du meine Güte!“
Lieschen erschrak.
Dabei war ihr Plan so gut! Sie hatte sich schon ein sehr
witziges Bild vom folgenden Tag gemacht. Sie sah Grete fix und fertig in praller
Sonne durch die Stadt strampeln und im Anschluss mit zerzaustem Haar und
verlaufenem Makeup nur noch auf dem Caféstuhl hängend. Während sie, das
Lieschen, gemütlich mit 20 Stundenkilometern auf Hermanns Motorfahrrad Richtung
Cafe zuckelt, absteigt, in voller unzerstörter Schönheit Platz nimmt und
während Grete wie eine Verdurstende ein kaltes Getränk nach dem anderen kippt,
selbst genüsslich an ihrem Espresso nippt.
Soweit das Bild. So schön der Plan. Und jetzt das.
Auseinander gebaut. Das kann Jahre dauern. Weiß die Liese aus Erfahrung. Wenn
so ein Vergaser mal auseinandergebaut ist, kann eine Menge passieren.
Unvorhergesehenes. Im Normalfall fehlen Teile, die erst besorgt werden müssen.
Und die Welt könnte auch noch vor dem Zusammenbau untergehen! Lieschen geriet
in Panik! In echte Panik! Sie hatte gar kein Fahrrad. Also keines, das fuhr.
Nur das bunt Umhäkelte, das die Wand im Garten zierte. Und eine Freundin, die
als Freundschaftsbeweis ein Lieschen auf dem Fahrrad wollte.
„Herrmann!!! Ich brauche das!!!“ Lieschen kann laut werden
und Hermann weiß das. Also tat er, was zu tun war. Am Abend schnurrte die gute
Saxonette wie eh und je. Hermann hatte alles stehen- und liegengelassen, den
Vergaser gereinigt, zusammen- und eingebaut. Lieschen war glücklich.
Bis zum nächsten Mittag.
Die Sonne schien gnadenlos. Zehn von zwanzig Kilometern
hatte sie bereits in größter Freude sehr gemütlich zurückgelegt als der Motor
stotterte. „Nein!!!“ Sie gab mehr Gas und rettete sich einen weiteren Kilometer
Richtung Cafe. Und noch einen. Und noch einen. Dann hörte selbst das Stottern
auf.
Um es kurz zu machen. Die restlichen 7 Kilometer zerzausten
ihre Haare, verknoteten ihre untrainierten Beine und verwischten ihr bisschen Makeup. Angekommen stürzte sie ein Wasser nach dem anderen herunter und wunderte sich über Grete,
die wohl schon einige Zeit auf sie wartete, einen sehr entspannten Eindruck
machte und sich nun köstlich übers Lieschen amüsierte.
Hermann hat die Liese dann später im Café abgeholt.
Natürlich erst nachdem Grete schon den Heimweg angetreten hatte. Noch am
gleichen Abend trennten sich der Vergaser, der Motor und das Fahrrad. Wer weiß für wie
lange. Der Liese ist es gleichgültig. Sie fährt in Zukunft wieder Bahn oder
geht zu Fuß. Das ist gesünder.
Aber einmal erlebt, erzählt sie natürlich auch der Fahrradfrau von diesem gruseligen Erlebnis. Die wird sich amüsieren.
Aber einmal erlebt, erzählt sie natürlich auch der Fahrradfrau von diesem gruseligen Erlebnis. Die wird sich amüsieren.
Mit meinem Saxonett kann man auch nicht fahren, es hat aber auch keinen Vergaser, geschweige denn Reifen, es ist nämlich ein Musikinstrument. :)
AntwortenLöschenLieschens Fahrt kann ich mir lebhaft vorstellen und ich finde es gut, dass sie alles gibt, um ihre Freundin nicht zu enttäuschen!
Liebe Grüße
Regina
Hallo Regina, du treue Leserin und Kommentatorin,
AntwortenLöschenGoogle sei Dank weiß ich jetzt auch wie deine Saxonette aussieht. Witzig. Eine Bezeichnung für zwei so unterschiedliche Dinge! :-)))
lieben Gruß
Brigitta
Find ich ja superlieb von der Liese, dass sie für die Grete sogar auf´s (E-)Bike steigt. Und suuuuperlieb von euch beiden, dass ihr meine Fahrrad-Anfrage so prompt beantwortet habt - noch dazu inklusive Verlinkung! Ganz liebes Dankeschön!
AntwortenLöschenJaja :-))) ... sooooo sind die beiden, die Grete und die Liese ... gefreut haben sie sich über die Anfrage ... das jedenfalls entnehme ich ihren Texten *lach ... :-)))
AntwortenLöschenDanke dir und lieben Gruß
Brigitta