Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 32 ---> guckst du hier
Mannomann! Was durfte das Lieschen gerade lesen? Das
Fräulein Grete ist geplatzt, Herr Heinevetter ist schwul und die
Hausgemeinschaft wird ab sofort durch einen Arzt bereichert, von dem die Liese
noch nicht weiß, welche sexuelle Ausrichtung der hat.
Aber mal zurück zum Anfang. Warum in Herrgottsnamen hatte
die Grete dem Lieschen DAS noch nicht berichtet. Der wunderbare Wutausbruch
gegenüber der guten Frau Karbach, die der Grete das Leben so lange dermaßen schwer
gemacht hatte, wäre doch wirklich eine sofortige Meldung wert gewesen. Aber sie
hat kein Wort darüber verloren. Nicht beim Kaffee, nicht am Telefon. Lieschen
wundert sich. Sie hätte doch sofort ein Fest ausgerufen und der Grete zu dieser
Maßnahme gratuliert. Oder nicht? Warum bloß erfährt sie es erst jetzt, so
nebenbei? In Nebensätzen? Lieschen geht in sich und fahndet nach einem
vermutlichen Grund für dieses lange Verschweigen.
Hätte sie vielleicht doch nicht jubiliert, sondern sinngemäß
gesagt „schon wieder hast du zu lange gewartet. Du lässt dir viel zu lange viel
zu viel gefallen, liebe Grete?“ Könnte es sein, dass die Grete vor solch
besserwisserischen Worten aus Lieschen Mund, vielleicht sogar zu Recht, Angst hatte
und sie sie ihr und sich ersparen wollte? Lieschen wird immer nachdenklicher
und bemerkt erst in letzter Sekunde, dass sie beinahe wieder am Fingernagel
gekaut hätte. Das macht sie nämlich gerne mal, wenn sie so ganz und gar in
ihren Gedanken gräbt. Während sie den Finger also gerade noch rechtzeitig
wieder vom Mund weg führt, glaubt sie an diese Möglichkeit, findet die Grete
klug und sich selbst nicht mehr ganz so.
Es könnte auch sein, denkt sie weiter, dass sie ihr den
Anlass vorgehalten hätte. Vielleicht hätte sie gelacht und gesagt „das ist ja
interessant! So lange hast du den ganzen Klatsch und Tratsch ertragen und erst
als sie DEINEM Herrn Heinevetter vorwarf, schwul zu sein, bist du in die Luft
gegangen? Das ist ja lustig!“ Kann sein, dass das Lieschen so weit gegangen
wäre. Ihr wäre dann nämlich vielleicht aufgefallen, dass sie noch niemals
irgendetwas über die sexuelle Orientierung des Herrn Heinevetter aus GretesMund gehört hätte und spätestens dann hätte sie sich gewundert, warum wohl
nicht.
Vielleicht hätte sie vermutet, dass die Grete ein Problem
mit Homosexuellen hat, mit Homosexualität im Allgemeinen oder nur im
Speziellen? Warum nur weiß das Lieschen so garnichts darüber? Jetzt kennen sie sich so lange und
noch niemals haben sie über Schwule, Lesben, Trans- und sonstwas Sexuelle
gesprochen.
Während Lieschen immer sicherer wird, dass die Grete ihr das
aus berechtigtem Selbstschutz nicht erzählt hat, wird sie immer kleinlauter. Da
beschäftigen sie sich mit so viel Klatsch und Tratsch und wissen offensichtlich
einiges nicht übereinander.
Lieschen selbst hat eine Menge Freunde, die
gleichgeschlechtlich leben und lieben. Ihr war das niemals seltsam. Sie ist
praktisch mit dem Wissen aufgewachsen, dass es jede Menge verschiedener
Orientierungen gibt und das auch gut so ist. Sie ist froh, dass die gruseligen
Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellten, zumindest in Deutschland und vielen anderen
Ländern abgeschafft wurden. Sie erschrickt mit schöner Regelmäßigkeit über
anderslautende Berichte aus anderen Ländern. Gerade heute hat sie die Meldung
über die Regenbogenfingernägel dieser Sportlerin gelesen, die auf ihre Art ein
selbstverständliches Zeichen gesetzt hat und keinerlei offizielle Unterstützung
erhielt. Und erschrickt jetzt über die Befürchtung, dass es für Grete sehr wohl
einen Unterschied machen könnte, wer wen in welchem Körper liebt.
Lieschen beschließt, ihre diesbezüglichen Gedanken zu
stoppen und Grete bei nächster Gelegenheit einfach zu fragen.
Sie selbst spricht aus dem Gefühl der Selbstverständlichkeit
selten über die sexuellen Orientierungen ihrer Freunde, weil es ihr nicht
wichtig ist. Nett sollen sie sein. Gut zum Lieschen passen sollen sie. Und so
leben, dass sie glücklich sind. Das sollen sie auch.
Vielleicht, so denkt das Lieschen jetzt, handhabt die Grete
das genauso und sie hat ihr mit all den gedanklichen Vermutungen übelstes
Unrecht angetan. Lieschen seufzt über sich selbst, steht auf und geht zum
Telefon. Sie wird die Grete jetzt fragen.
Auch um zu erfahren, für wen der neue junge Mann im Haus
wohl interessanter werden wird. Für sie, für Herrn Heinevetter oder für beide?
Da gerät in der kleinen Welt so allernahd durcheinander, oder ist die Welt gar nicht so klein? Manchmal reichen klare Worte, aber oft will man das gar nicht. Vermutungen reichen aus und Tratsch und Klatsch bündeln sich.
AntwortenLöschenSchön geschrieben Geli
So isses, liebe Geli ...
AntwortenLöschenDanke + lieben Gruß
Brigitta
O ja, auch ich habe spontan gedacht, Grete habe zu lange gewartet, sich zu viel bieten lassen.
AntwortenLöschenAber machen wir das nicht alle zuweilen und ärgern uns dann?
Lieschen ergeht sich nun in Vermutungen, Spekulationen und fürchtet gar, dass Grete und sie doch wohl nicht alles voneinander wissen (wobei ich sagen muss, dass dies einer Freundschaft keinen Abbruch tut).
Dass Homosexualität zwischen den beiden kein Thema war bislang, sehe ich eher positiv. Es ist eben für beide nicht wichtig, welcher sexuellen Orientierung jemand angehört.
Diejenigen, die am meisten darüber wettern, es schlecht machen, dagegen sind, die fürchten sich am meisten davor....was, wenn es einen selbst ereilt. Indem ich also eine negative Haltung aufbaue, schütze ich mich quasi.
Lieschen wird sicher mit Grete sprechen, jetzt, da der Anlass geboten ist.
Ich finde Lieschens Gedankengänge verständlich. Prima, wie kritisch sie auch mit sich selber umgeht. Das wird dann ein ehrliches Gespräch – ohne bloßes Getratsche.
Liebe Grüße
Enya
Bewundernswert und eine große Freude. Deine ausführlichen Überlegungen zum Inhalt der Texte ...
AntwortenLöschenIn Gretes folgendem (also gestrigem Text) kannst du nachlesen, dass du mit deiner Einschätzung zum Gespräch komplett richtig liegst.
HERZLICHEN DANK!
lieben Gruß Brigitta