Heute hat das Lieschen Schwierigkeiten ein Thema aus Gretes
Tagesbericht zu picken. Da steckt so viel zwischen den Zeilen, murmelt sie und
sieht vor ihrem Ventilator sitzend ganz unglücklich aus.
Sollte sie sagen: die arme Frau Korters!?
Lieschen sieht
aus, als hätte sie ein echtes Problem zu lösen. Ist sie reingelegt worden? Ist
sie Opfer? Wenn ja von was oder wem? Vielleicht von einem anderen Opfer? Einem,
das ebenso wenig NEIN sagen kann oder will wie sie, die arme Frau Frau Korters?
Oder sollte sie sagen: die glückliche Frau Korters!?
Schließlich hat sie ja die Grete, die sich jede Menge Zeit für sie nimmt, speziell
wenn es ein solches Problem zu lösen gibt.
Oder sollte sie sagen: die dumme Frau Korters!? So schwer
kann ein bisschen Nachdenken doch nicht sein. Die einfache Frage lautet nach Lieschens
Ansicht wohl: Möchte ich haben, was mir der freundliche Mensch am anderen
Ende der Leitung verkaufen will, oder nicht? Wenn ja, dann JA. Wenn nein, dann
NEIN.
Ist das Thema die Unverschämtheit der Verkaufsmethoden
großer Firmen? Die Auslagerung der Hotlines auf andere Kontinente? Die
Unverfrorenheit mit der Anrufer in Warteschleifen gehalten werden und am Ende vielleicht
noch unfreundlich abgewimmelt werden, weil das entsprechende Problem nicht im
Handlungsordner zu finden ist? Der Tod des Satzes: Der Kunde ist König? Die Schwierigkeit, nein zu etwas zu sagen, das doch so freundlich angeboten wird? Der
Neid, der sagt, was der Nachbar hat das will ich auch? Ist doch egal, ob ich das zu
benutzen weiß oder nicht? „Hoch und heilige“ Versprechen, die Sekunden später bereits
vergessen sind? Die
Unmöglichkeit, Menschen wirklich zu helfen, die selbst nicht wissen, was sie brauchen?
Oder ist das Thema: beurteile nicht?
Lieschen entscheidet
sich dafür, liest den Bericht von Grete noch einmal und konzentriert sich diesmal auf die Eckbankszene in der Küche. Völlig ohne das zugrunde liegende Problem.
Sie sieht die Grete erst an ihrem PC, dann am Telefon und die Frau Korters wie
sie der Grete zuguckt. Das alles bei 30 Grad im Schatten und einem
ordentlichen Vorrat an Eistee. Sie sieht
das Fräulein Grete wild gestikulieren. Sieht sehr lebendig aus. Und die Frau
Korters schaut die Grete bewundernd an. Auch lebendig. Das Lieschen mag dieses
Bild. Eine schöne Atmosphäre. In wie vielen Küchen sitzen die Menschen am Abend
wohl alleine vor ihren Fernsehern, Radios oder Computern? In Gretes Küche ist
das anders. Zwei lebendige Frauen mit telefonischem Kontakt in die große weite
Welt.
Lieschen ist jetzt so angerührt von der nackten Szene, dass
sie fast versucht ist, Grete nach der Hotlinenummer zu fragen, dort anzurufen,
nach dem Verkaufsmitarbeiter zu fragen und ihm von einem Job zu erzählen, in dem
er nicht blind verkaufen muss, was dem potenziellen Käufer nichts nützt und
vielleicht sogar schadet. Aber diese Idee verwirft sie wieder.
Stattdessen schaltet sie den Ventilator aus und geht hinaus
in den Garten. Ein paar Kniebeugen und ein bisschen Gymnastik wird sie wohl
machen müssen. Die Grete scheint das mit dem Sport ja ernst zu meinen.
Die "nackte Szene" ist so genial beschrieben - ich kann gar nich mehr aufhören zu grinsen:)))
AntwortenLöschenLG
Grinsen als Leseergebnis ist sehr cool :-)))
AntwortenLöschenDanke!!!
Brigitta