Samstag, 17. August 2013

Lieschen schwillt manchmal der Kamm



Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 31 ---> guckst du hier

Das Lieschen ist auch allergisch. Aber nicht so wie die Grete gegen ihre Lieblingsspeise. Nudeln, Gemüse und Obst bekommen ihr prima. Aber manche Menschen und Situationen lassen ihr wohl nicht die Zunge, aber den Kamm schwellen. Gottseidank muss sie mit dem geschwollenen Kamm aber in keine Notaufnahme. Da muss man nämlich immer ewig lange warten, wenn man nicht mit dem Notarztwagen an den dort Wartenden vorbei manövriert wird.

Lieschen hat das schon erlebt. Warten und Warten und Warten. In ziemlich vermasseltem Zustand und anderen Wartenden, die sich so wie sie in ihrer jeweils eigenen Art die Wartezeit und die damit verbundenen Ängste vertreiben oder es zumindest versuchen. Da hat die Liese einiges beobachtet und erlebt, dass zu ihrer gewohnten allergischen Reaktion führte.

Ein sehr alter Mann mit offensichtlich starken Herzbeschwerden wurde von seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar gestützt auf einen der wenigen freien Stühle begleitet. Er schien Schmerzen zu haben und machte sich, aus Lieschens Sicht verständlicherweise Sorgen. Dem beginnenden Gespräch, das über diesen Mann hinweg geführt wurde, entnahm die Liese, dass es bereits die Diagnose des Hausarztes gab, die besagte, dass wohl eines Tages ein Herzschrittmacher vonnöten sein würde. Zum Zeitpunkt der Diagnose lag der vom Arzt prognostizierte Eingriff noch in weiter Ferne. Doch es hatte nicht lange gedauert bis es zu den Beschwerden kam, die ihn nun in die Aufnahme des Krankenhauses brachten. 
Gerade als die Liese sich fragt, ob wohl die „Androhung“ der Operation dazu geführt hat oder vielleicht auch …, werden ihre Gedanken durch eine laut und detailliert vorgebrachte Rechnung des den Kranken begleitenden Herren  unterbrochen. „Bei mir hat es ja der Chefarzt gemacht. Privatversichert zahlt sich nun mal aus. Das muss schon sein. Und auch meine Titel werden das Übrige bewirkt haben.“ Lieschen glaubt ihren Ohren nicht zu trauen. Der alte Mann mit den Beschwerden sieht nicht so aus, als sei er privatversichert. Er schaut so flehend zwischen dem Boden und dem Sprechenden hin und her, dass Lieschen nicht weiß, was schlimmer ist. Ihr eigenes Problem, ihr schwellender Kamm oder ihr Herz, das bei diesem Anblick zu brechen droht. Der stehende privatversicherte und sehr laut sprechende Herr fährt tatsächlich fort. „Insgesamt hat es ja 160.000 Euro gekostet. Alles drum und dran. Brauchte ja auch seine Zeit. Nicht nur das Gerät hat seinen Preis. Auch der Arzt will ja bezahlt sein. Hat sich aber gelohnt. Die Betreuung ist natürlich vorbildlich. Privat.“ Es dauert nicht lange und Lieschen erhält die Bestätigung ihrer Vermutung. Die Frau des Kranken murmelt mitten in die Ausführungen des Herrn, der mit geschwellter Brust doziert „ja du. Wir sind Kasse.“ Sie tätschelt ihrem Mann den Arm und seufzt. Sie ist auch nicht mehr die Jüngste und verständlicherweise ebenfalls sehr in Sorge.

Die beiden mit ihrer Begleitung mussten, wie die Liese auch, noch weitere zwei Stunden warten. Wurden von niemandem ver- oder getröstet und haben viele Notarztwagenpatienten an sich vorbeiziehen sehen. Was für den Herrn mit dem Herzschrittmacher im Wert eines Einfamilienhauses immer wieder Anlass zu Berichten im Stil von „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ und „mit mir in meiner Stellung ginge das so nicht“ und noch manch andere Bemerkungen war, die in der Liese und vielleicht auch in anderen schlimmste Allergien verursachten.

Als er der Vermutung Ausdruck verlieh, dass `das hier ja wohl nichts gäbe und man hier als Patient wohl dem Tode geweiht wäre´ und die ohnehin schon angsterfüllten alten Menschen auf ihre stille Art noch erschrockener wirkten, hat sich die Liese zu den beiden gehockt und ihre Hände gehalten. Das war für alle ein wenig beruhigend.

Als der Herr Gottseidank auf die Idee kam, sich, und natürlich nur sich, einen Kaffee zu holen und mal nach was Essbarem zu schauen (für sich) atmeten alle auf, Lieschens Kamm schwoll ab und sie hatte die Gelegenheit MIT den beiden Alten zu sprechen und vor allem, ihnen zuzuhören. 


In Lieschens Allergiefall reicht es zur Heilung, wenn sich das Allergen oder sie selbst aus der Situation weg bewegt.  Eigentlich leicht. 

Im Falle des herzkranken alten Mannes haben die kassenbezahlten Ärzte ihr bestes gegeben und ihm wurde ähnlich gut geholfen wie der Grete heute.



2 Kommentare:

  1. Traurig traurig was ich da so lese und mir schwillt bei dem Gedanken daran auch der Kamm - Zweiklassenmedizin - wer kann sich damit anfreunden und sie gutheißen.
    Wieder ein Highlight, den ich genieße LG Geli

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  2. Oh, das kenne ich so gut. In den letzten Wochen habe ich viel Zeit in Wartezimmern verbracht und immer wieder regte ich mich über ähnliche Dinge auf. Traurig ist das, sehr traurig!

    Liebe Grüße
    Regina (Kassenpatientin)

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Herzlichen Dank für Euer Interesse und die den Blog so sehr bereichernden Kommentare!
Beides ist sowohl der Liese als auch mir eine große Freude! :-)))