Sonntag, 25. August 2013

Lieschen und das geträumte DashboardParadise ihrer Jugend

Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 38 ---> guckst du hier


Kaum hat das Lieschen Gretes Nostalgiebericht zu Ende gelesen, verdreht sie schwärmerisch die Augen und singt auch schon. „Do you love me? Do you love me for ever? Do you neeeeeeed me???“ Sie war noch keine zwanzig als sie das Lied, dessen Text sie offensichtlich noch auswendig kann, Tag um Tag sang. Damals waren das drängende Fragen. Für immer. Brauchen. Sehnsuchtsort Auto. 
„Will you neeeeever leave me???“ Tja. So hat sie damals gesungen. Auch ohne Herrn Meat Loaf, von dessen Exzessen hinter der Bühne sie erst in den letzten Jahren erfuhr. 
Und während sie weiter singt „Will you make me so happy for the rest of my life? Will you take me away? Will you make me your wife? DO YOU LOOOOOVE MEEEE???” versagt ihr bald die Stimme. Von einer Sekunde auf die andere wird sie ganz still.

Natürlich hat sie damals manch einer glücklich gemacht. Für den Moment. Sehr lange geblieben ist keiner. Und doch wollte sie es immer wissen. Am liebsten vorher. Und damit war sie nicht allein. Auch die Grete glaubte damals an die große Liebe, dass sie eines Tages käme und malte sich mit dem Lieschen zusammen den Augenblick aus, in dem der Jüngling auf dem weißen Pferd überraschend um die Ecke biegt, scharf bremst und vor plötzlich entbrannter - natürlich ewiger - Liebe fast vom Pferd fällt, aber von einer von beiden in letzter Sekunde selbstverständlich aufgefangen wird.

Auch mit dem Thema Hochzeitskleider, Hochzeitsfeier und wen sie unbedingt zur Feier einladen mussten und wen unter keinen Umständen, hatten sie sich oft beschäftigt. Die Listen mussten sie im Laufe der Jahre oft umschreiben, doch das Lied blieb. Und die Sehnsucht. 
Bei der Grete länger als bei dem Lieschen. Die hat ja irgendwann viel später den Hermann gefunden. Oder er sie. Das wissen beide nicht mehr so genau. Ist ja auch schon lange her. Zu der Zeit hat die Liese schon lange nicht mehr aktiv ‚Paradise by the dashboard‘  gesungen und auch nicht mehr „Am Tag als Conny Kramer starb“.

Aber das ist ein anderes Thema. Über das spricht sie nicht so gerne. DAS Lied hat sie nämlich damals gar nicht richtig verstanden. Obwohl sie den Text in ihrem „TOP-Heft“ (das würde die Susi auch nicht mehr kennen) oft nachgelesen hat und schließlich auswendig konnte, hat sie erst im Alter begriffen, dass sie lauthals singend einen Drogentoten beklagte. Mit Drogen kannte die Liese sich nicht aus. Jedenfalls nicht mit den verbotenen. Mit den üblichen, also Zucker, Kaffee, Zigaretten und Alkohol natürlich schon. Aber das  ist auch wieder ein anderes Thema.

Plötzlich schüttelt sich das Lieschen als würde sie das von den Erinnerungen der Jugend befreien, geht zum Spiegel und streckt sich die Zunge raus. „Ein bisschen dumm warst du damals schon, liebe Liese. Naja. Musstest halt deine Erfahrungen machen. Hat ja auch was genützt. Oder nicht?“ Sie geht ein bisschen näher an den Spiegel, stippt den Kopf ganz nach vorne und schaut noch einmal genauer. „Oder nicht! Ist wahrscheinlicher! Macht aber nix!“

Als sie sich wieder auf ihren neuesten Lieblingsstuhl setzt, den sie neulich auf dem Flohmarkt mit der Grete zusammen gekauft und dann hübsch bemalt hat, sieht sie schon nicht mehr ganz so wahnsinnig, sehnsüchtig und vergangenheitsverrückt aus wie vorher.

Dann lacht sie und sagt „ob ich wohl rasch in den Nachbarort zur Telefonzelle fahre, Grete anrufe und ihr das Lied schnell mal wieder live vorsinge?“ Die hätte dann morgen der Susi wieder einiges zu erzählen und vor allem zu erklären. Telefonzellen kennt die ja wahrscheinlich auch nicht.




9 Kommentare:

  1. Hallo Brigitta,
    ja, das stimmt, meine Kinder wundern sich auch manchmal über Lieder, die ich mitsinge, und mein Kleiner fragt dann "ist das ein Klassiker"?
    Und jetzt grölt er Heino mit *grins* ... hör auf Deine Mutter... da lach ich mich weg!
    Nicht gelacht habe ich, als ich anfing, Deinen post zu lesen. Da dachte ich nämlich, mein Laptop hätte es bald hinter sich - so ein regelmäßiges Ticken erschreckte mich - doch tadaa, es war Deine Uhr unten!
    Bah, wie fies, mich so zu erschrecken :-)
    liebe Grüße, Petra

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    1. Ja ... die Uhr ist vielleicht wirklich eine Zumutung. Ich mache sie weg! Obwohl ich das Ticken ja liebe ... aber erschrecken möchte ich natürlich niemanden ...:-)))

      Und DEN Heinosong finde auch sehr witzig (vor allem die Art, wie er in "vorträgt"... Schönen Gruß an deinen Kleinen ... :-)))

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    2. Ja ... die Uhr ist vielleicht wirklich eine Zumutung. Ich mache sie weg! Obwohl ich das Ticken ja liebe ... aber erschrecken möchte ich natürlich niemanden ...:-)))

      Und DEN Heinosong finde auch sehr witzig (vor allem die Art, wie er in "vorträgt"... Schönen Gruß an deinen Kleinen ... :-)))

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    3. Quatsch, nicht wegmachen! So ein kleiner Adrenalinkick macht nochmal wach, und die Erleichterung, wenns dann doch nicht das aushauchende Leben des Mac ist, ist dann um so schöner :-)

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    4. Zuuuuuuuuuuuuu spät ... ist weg! :-)))
      Ich hatte eh schon daran gedacht, es zu tun. Dein Schreck war mir eine gute Entscheidungshilfe ... :-)))

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  2. Liebe Brigitta,
    jaaa - was weiss die Jugend von Heute schon. Unsere - oder besser gesagt meine - Zeit war doch auch schön. Ohne Handy, ohne Lap und ja - mit Schallplatten. Ich habe heute noch meine Sammlung. Chris Barber, Joe Cocker und und und.
    Ich kann mir gut vorstellen, was Grete im Auto vollführt, wenn sie allein fährt.
    Und Telefonzellen: Wie oft wurden andere Menschen böse,
    wenn man für 20 Pfennig Ewigkeiten mit dem damaligen Freund telefonierte. Sie bollerten wie verrückt an die Zellentür. Ach - Nostalgie.
    Einen schönen Sonntagabend wünscht Dir
    Irmi

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    1. *lach, liebe Irmtraud,

      dir geht es ja wie mir. Als ich heute Abend den Gretepost las, war ich in der Sekunde in "die alten Zeiten" zurück versetzt. Und ich bekomme die Lieder, die ich dann dem Lieschen untergeschoben habe schon den ganzen Abend nicht aus dem Kopf.
      Ja. Mttlerweile gibt es wirklich Vieles, was die Jugend gar nicht mehr kennt.
      Mit den Telefonzellen z.B. war es genauso wie du sagst. :-)))

      lieben Gruß
      und herzlichen Dank für dein treues Lesen!
      Brigitta

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  3. Ist es nicht so, dass immer noch ein Teil dieser Zeit in uns ist? Eine Nostalgie – watteweich in unseren Herzen, die uns dann ab und an überrollt?
    Da kann man schon mal still werden wie Lieschen und sich seinen Erinnerungen hingeben. Auch wenn man vielleicht für den Moment in der Rückschau alles leicht verklärt sieht.
    Wir hatten Sehnsüchte, Vorstellungen – wollten alles verstehen, obwohl wir vieles nicht fassen konnten.
    Auch damals war „jung sein“ nicht immer einfach, Erfahrungen waren zuweilen bitter, Illusionen zerplatzten und man musste seinen Weg suchen.

    Aber mir kommt es so vor, als habe gerade die Musik jener Zeit zusammengeschweißt, vielleicht sogar geholfen, sich von manchem Traum zu verabschieden.

    Bis zu einem gewissen grade sind Träume ja berechtigt und auch die zeitweise flucht aus dem Alltag – genauso berechtigt wie vielleicht heute das Zurückerinnern in besonderen Momenten.

    Ja, die Zeit ist ungeheuer schnelllebig geworden.
    Meine Töchter kennen noch Kassetten, aber rasch wurden diese abgelöst von den CD’s und heute haben sie MP-3 Player und was weiß ich alles.
    Aber sie sind sehr lieb und stellen mir von Zeit zu Zeit immer mal wieder eine CD nach meinen Wünschen zusammen mit alten und neuen Songs (letztere muss ich kennen, sonst bin ich bei den Schulkids unten durch).
    Diese CD’s höre ich dann im Auto – schmettere mit wie Grete.

    „Vergangenheitsverrückt“ – Es sind doch schöne Erinnerungen. Das Schlechte blenden wir ja oft aus.
    Lieschen kommt rasch und gut heraus aus ihren Erinnerungen. Das ist richtig so.
    Man kann es zuweilen genießen, es darf einen halt nur nicht vom „Vorwärts“ abhalten.

    Hat wieder Spaß gemacht zu lesen und wie bei Grete wurde auch ich hier ein wenig „vergangenheitsverrückt“.

    Lieben Gruß
    Enya

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    1. Ja! Ich persönlich versuche, so wenig wie möglich mit meinen Gedanken in der Vergangenheit oder der Zukunft "zu leben" ... und doch reichen oft kleine Anstöße für ausgiebige Reisen weg vom HierundJetzt. Manchmal braucht es nur ein Wort (oder eben ein Lied) und ich höre mich aus der Vergangenheit erzählen oder über Pläne referieren.

      Dank dir für deine ergänzenden Ausführungen.
      Wie immer eine Freude

      lieben Gruß
      Brigitta

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Herzlichen Dank für Euer Interesse und die den Blog so sehr bereichernden Kommentare!
Beides ist sowohl der Liese als auch mir eine große Freude! :-)))