Lieschens Antwort auf Fräulein Grete Meiers Post Nr. 63 ---> guckst du hier
Lieschen konnte sich gar nicht mehr beruhigen als sie das
Fräulein Grete schon von weitem kommen sah. Zu schön fand sie ihre Freundin mit
diesem schwarz befederten roten Hütchen. Gut. Sie hatte den Hut falsch herum
auf, aber das sah das Lieschen erst als die Grete schon ganz nah am Café war,
und das tat der Schönheit und der Tatsache, dass Grete und der Hut wie eine
Einheit aussahen, keinerlei Abbruch. Denn auch von Nahem, also aus einer
Entfernung, aus der heraus auch das Lieschen in seiner Kurzsichtigkeit klar und
scharf gucken konnte, kam es ihr vor, als hätte sie die Grete noch niemals OHNE
ein solches Hütchen gesehen. Ein perfekt harmonisches Bild.
Bis auf die Schachtel unter Gretes Arm, die eindeutig eine
Hutschachtel war und darauf hindeutete, dass der Hut wohl nagelneu und bis eben
unbenutzt war. „Ach hat sich die Grete endlich einmal etwas gegönnt“ denkt das
Lieschen, während sich die Grete mit Hutschachtel und Riesenhandtasche durch
die Cafétür schiebt. „Supi!“ ruft es aus der Liese ein bisschen zu laut für das kleine Café, aber gerade laut genug, um Gretes Freude über den eigenen Mut und
dieses süße Hütchen auf ihrem Kopf, das ihr doch so gar nicht gehörte, im Auge
des Sturms zu treffen und den Orkan zu entfachen.
„Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist“ ruft die
Grete, nahezu brüllend, auf ihrem Weg zum GreteLieschenTisch am Fenster.
Lieschen glaubte es doch, wollte es aber kaum glauben. Denn sie, die selbst
nicht viel Wert auf Besitztümer legt, wünschte sich für die Grete, dass sie
diesen Hut tatsächlich besäße und mit dieser Aufregung, Freude und Schönheit häufiger
tragen könnte.
Für die Hutschachtel der unbekannten Adele hatten die beiden
einen extra Stuhl an den Tisch gezogen. Sie sollte unbeschädigt bleiben. Für
den Fall der Fälle. Denn Grete ging davon aus, dass sie das Hütchen nach diesem
Experiment wieder abgeben müsste. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte,
wie sie diese Adele finden könnte und den Hut auch selbst am Liebsten behalten
würde.
Grete redete immer noch so dermaßen laut, das alle Gäste des
Lokals über die Ereignisse der letzten Stunde und deren Folgen detailliert im
Bilde waren. Und das war, wie sich bald herausstellen sollte, wunderbar.
Im Café befanden sich am gestrigen Mittwoch nämlich
ungewöhnlich viele relativ junge Menschen, die in völliger
Selbstverständlichkeit mit ihren Smartphones verwachsen waren und diese mit
ebensolcher Selbstverständlichkeit für die Herausforderungen des Alltags benutzten.
So haben die einen gegoogelt, die anderen über facebook die
Netzwerke der Stadt informiert und wieder andere aus der Ferne Fotos von Grete
mit dem Hütchen gemacht und diese auf eine „BitteteildasBildreise“ durch das
internationale Netz geschickt.
Als die ersten Informationen eintrafen, ahnten weder Grete noch
Lieschen etwas von dem, was um sie herum vorging und tranken und spachtelten
wie eh und je an einem Mittwoch. Nur mit der Besonderheit, dass Grete diesen
Hut auf ihrem Kopf hatte, die Schachtel einen Stuhl einnahm und die Stimmung
bei den beiden ein wenig aufgeregter war als sonst.
Dass die jungen Gäste des Lokals bereits näher gerückt
waren, entging den beiden eine ganze Weile. Erst als ein junger Mann rief: „Ok!
Warten sie! Er kommt gleich!“ schauten die beiden auf und sahen sich eingerahmt von
einer Traube Menschen, die auf ihren Smartphones scrollten.
Die einzeln ausgeführten und nun zusammengetragenen
Informationen ergaben, dass der Hut „Adele“ hieß, es ihn auch in anderen Farben
und Größen gab. Er normalerweise andersherum getragen würde, als die Grete das
tat, und dass „Gretes“ rotes Hütchen mit der schwarzen Feder von einem jungen
Mann für seine Mutter gekauft wurde, die nämlich Geburtstag und, wie er bis
heute annahm, einen Hut-tic hatte. Dieser Mann war nun, laut Aussage eines der
jungen „Alltagsdetektive“ im Café auf dem Weg zu eben diesem.
Als die Tür aufging und der junge Hutverlierer sich den Weg
zum Menschenumrahmten Greteliesetisch bahnte, geschah das eigentliche Wunder
des Tages. Er stoppte, als er Grete mit dem Hütchen sah, voll Bewunderung seine
Schritte, erklärte der versammelten Menge, dass er ohne Hut beim Geburtstag
seiner Mutter eingetroffen war und diese ihn beim Anblick seiner leeren Hände umarmte
und ausrief: „Wie gut, dass du mir diesmal kein Hütchen schenkst! Ich komme
nämlich um in den viel zu vielen Exemplaren dieses für mich unpraktischen Accessoires!
Schön dass du da bist.“
Als hätte er den Hut für Grete gekauft, kam er während des
kurzen Berichts näher, nahm die Hutschachtel vom Stuhl, ging auf die Knie,
streckte dem Fräulein die Dose entgegen und sagte unter dem Jubel der
Umherstehenden „Es ist ihrer! Wie für Sie gemacht! Wunderschön!“
Die Mutter wird nachträglich ein Foto vom Hütchen auf Gretes
Kopf bekommen und Grete konnte ihr Glück kaum fassen.
Die anschließende Lokalrunde, die Grete orderte war der
Beginn eines wunderschönen späten Nachmittags und Abends, den Grete und Liese
fröhlich schwatzend und lachend inmitten einer Horde junger Menschen verbrachten.
Lieschen vermutet, dass Grete das Hütchen auch später im Bett aufbehalten hat.
Gut ausgesehen hätte jedenfalls auch das.
Grete und Lieschen als kostenloses E-Book - die ersten 50 Kapitel:
Das ist ja ein wunderbares Ende der Hutgeschichte, das mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
AntwortenLöschenGrete und der schwarzbefederte Rote müssen wahrlich eine Einheit bilden, wenn der junge Mann es genauso sieht und das Lieschen und all die anderen im Café.
Jener junge mann hat ja nun auch eine Erkenntnis gewonnen, nämlich dass man zuweilen Dinge annimmt, die so gar nicht stimmen. Da schenkt man etwas - wieder und wieder - weil man meint, dem anderen eine Freude zu machen. Derjenige aber schweigt darüber, dass die Freude vielleicht nicht ganz so groß ist, um nicht zu verletzen.
So war alles eine Art Schicksalsfügung für die Beteiligten.
Zudem zeigt sich hier mal der Vorteil dieser Smartphones, ohne die Grete sich vielleicht dusselig gesucht und am Ende doch noch ein kleines schlechtes Gewissen bekommen hätte.
Die Freude an dem Hut wäre sicher nicht so groß gewesen.
Dass es am Ende noch ein so wunderschöner Abend wurde, ist die Krönung.
Gern wäre ich Mäuschen gewesen, aber Lieschen hat ja super berichtet, dass ich alles plastisch vor mir sehe, vor allem Grete und das Hütchen.
Lieben Gruß
Enya
Was für eine schöne Geschichte, sie ist märchenhaft, aber sie gefällt mir.
AntwortenLöschenEnde Hut, alles Hut. :-)
AntwortenLöschenOch, ist das eine berührende Geschichte. Wer hätte an einen solchen Ausgang gedacht? Natürlich, dass Frl. Grete dn Hut falsch herum auf hatte, hätte bei mir evtl. einen Lachkrampf ausgelöst. Wenn ich nun bedenke, dass Grete evtl. den Hut wirklich Tag und Nacht aufbehält, dann hätte er doch seinen Zweck erfüllt.
AntwortenLöschenEine schönen Restabend wünscht dir
Irmi