Lieschen ist das ja völlig egal, was wann in welchen
Supermärkten verkauft wird. Sie findet, Osterhasen schmecken im Normalfall
genauso wie Weihnachtsmänner und umgekehrt.
„Ist doch egal, in welcher Verpackung die Schokolade daher
kommt“ sagt sie oft zu der Grete, die ihrerseits auf der Vermutung besteht,
dass das Auge mit isst und alles seine Zeit hat. „Ein Weihnachtsmann, Liese, das
kannste mir glauben, schmeckt definitiv nach Winter und Gemütlichkeit. Außerdem
riecht er nach Tannennadeln und Kaminfeuer. Während ein Osterhase natürlich
nach Osterglocken und Maiglöckchen riecht und dementsprechend natürlich nach
Frühling, Aufbruch und kommendem Sommer schmeckt.“ Wenn Lieschen dann ein wenig
die Nase rümpft, was sie jedes Mal tut, wenn die Grete mit dieser Theorie
ankommt, dann dreht die sich gewöhnlich ein wenig weg und sagt „ach du hast ja
keine Ahnung Lieschen, du erinnerst dich einfach nicht mehr. Viel zu lange
schon isst du solch wunderbare Dinge ja nicht mehr.“ Das stimmt natürlich. Dem
Lieschen ist es völlig egal, wann die Sachen verkauft werden, sie kauft sie zu
keiner Jahreszeit und schreibt sie auch niemals auf Hermanns Einkaufszettel.
Sie weiß auch schon lange nichts davon, dass zum Weihnachtsfest
der Schnee gehört und es an Ostern
eigentlich nicht heiß sein darf. Viel zu oft hat sie die Weihnachtszeit in
wärmeren Gefilden verbracht und Ostern extrem schwitzend im Bikini. Und doch
weiß sie natürlich von den Sehnsüchten einiger Deutscher im wärmeren Süden nach
dem Weihnachten ihrer bereits viele Jahrzehnte vergangenen Kindheit. Sie hat
ansonsten ziemlich patente Menschen im strahlenden spanischen Sonnenschein
Weihnachtssterne basteln, Glühwein trinken und deutsche Weihnachtsbäume kaufen gesehen.
Lieschen hat ja einige Jahre inklusive aller Weihnachtsfeste in Spanien
verbracht und über die Zeit die veränderten Bedingungen und Gewohnheiten auch
der Spanier beobachtet. Mit dem Einzug von Lidl in Spanien kamen auch der
Weihnachtsstollen und die Dominosteine, auch schon im Oktober. Durch den
persönlichen Einsatz und die Geschäftstüchtigkeit einiger Deutscher flogen
deutsche Weihnachtsbäume in der Enge ihrer Netzverpackungen in sonnige Gefilde
oder lagerten tagelang im Rumpf eines Riesenschiffes, um dann in Wohnzimmern
oder Gärten kurz Platz zu nehmen, die eigentlich für rote Weihnachtssterne und
mediterrane Pflanzen gemacht wurden.
Spanier feiern das Weihnachtsfest eigentlich nicht am „Heiligen
Abend“. Schon eh und je brachten die „Heiligen drei Könige“ die Geschenke. Am
Meer mit dem Schiff. Aber weil sich ja in dieser mittlerweile buntgemischten Welt
kein Brauch mehr unverwässert hält bekommen viele spanische Kinder heutzutage
zweimal innerhalb kürzester Zeit Geschenke. Am Heiligabend und am Dreikönigstag.
Das freut die Geschäftsleute. Das freut die Spielzeughersteller. Das freut
alle, die Geld damit verdienen und alle, die gerne irgendwelche Feste feiern.
Für die Spanier bedeutet das nämlich auch, dass sie mindestens zweimal im
Winter riesige Familienfeste an Riesentischen veranstalten, die unter dem
Gewicht der im Stundentakt erneuerten köstlichen Speisen fast zusammenbrechen.
Deutsche Weihnachtsmärkte im Ausland haben das
Qualitätsmerkmal „Sehr gut“ und dass vielleicht nicht nur wegen des Glühwein“dufts“
über dem Gelände.
Auch in Deutschland beginnen manche Weihnachtsmärkte bereits
Mitte November. Wann kommt wohl der erste Ganzjahresweihnachtsmarkt mit
türkischen, indischen und afrikanischen Händlern im Licht von sonnenbetriebenen
Lichterketten, umrahmt von peruanischer Panflötenmusik, die eh schon lange kaum
noch von Peruanern vorgeführt wird? Mag sein, dass das nicht mehr lange dauert.
Und auch da wäre es möglich, einfach nicht hinzugehen.
Die Zeiten haben sich geändert. Aus Kindern sind Erwachsene
geworden und die Geburt Christi war ja
eh kein allein deutsches Phänomen. Ob es bei dessen Geburt in diesem Ministall
nach Dominosteinen, Glühwein und Tannennadeln oder gar nach Weihnachtsbraten gerochen
hat? Wohl kaum. Stapften die drei Männer, die später zu Heiligen und Königen
wurden wohl durch Schnee? Wohl kaum. Und fand das alles tatsächlich im Dezember
statt? Wer weiß. Vielleicht.
Grete und Lieschen als kostenloses E-Book - die ersten 50 Kapitel:
wieder richtig interessant zu lesen - auch die Info über Spanien. Das war bestimmt eine interessante Zeit.
AntwortenLöschenIch wünsche dir ein schönes Wochenende
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht :-)
Brigitta, das hast du wieder ganz toll geschrieben. Auf der einen Seite wird darüber geklagt, dass Weihnachten zum Kommerz verödet, auf der anderen Seite leisten wir dem doch Vorschub, indem wir bereits Mitte September das Zeug kaufen.
AntwortenLöschenSeit ich allein bin, habe ich meist einen Weihnachtsurlaub gemacht. In ein Hotel gehe ich nicht mehr - da kannste besser zu Haue bleiben.
Ich habe Flusskreuzfahren gemacht, zweimal Passau-Budapest und einmal Köln-Amsterdam. Da wirst du nicht den ganzen Tag berieselt und siehst noch was. es ist schön, wenn man am Aben in seiner Kabine sitzt und das Lichtermeer der Städte gleitet vorüber. Und ich bleibe zudem in unseren Breiten. Weihnachten in Wärme und Sonne kann ich mir nicht vorstellen. Aber jede/r soll nach ihrer/seiner Facon
selig werden, oder? Und die übrig gebliebenen Hasen werden sowieso zu Weihnachtsmännern und umgekehrt verarbeitet. Man kann also bald den spezifischen Duft nicht mehr wahrnehmen.
Einen schönen, sonnigen Samstag wünscht Dir
Irmi
Wieder ein sehr interessanter Post. Jetzt muss ich noch mal schnell zu Grete ich dachte Du hättest dieses nachsommerliche Gebäck und Süßkram massig gekauft, das eigentlich erst nach dem "Totensonntag" in die Regale wandern sollte und dann für die Adventszeit, also Adventsgebäck. Tja und wenn ich meine Freundinnen so sehe in Florida bei 30°C und mit Dominosteine aus Deutschland ihren Nachmittagskaffee im Oktober genießen, dann sind das einfach noch Süßwaren mit würzigem Aroma.
AntwortenLöschenDir ein wunderschönes Wochenende und liebe Grüße
Ingrid
Toll geschrieben liebe Brigitta, die Traditionen sind ein wenig ins Wanken geraten und Wiehnachtslecker gibts ab ende September und der Osterhast steht im Januar im Regal. Die Händer freuen sich und haben nur ihren Gewinn im Sinn. Doch es ist ein wenig schade, die Traditionen waren sehr schön. Haben wir nicht ab den 1. Dez. hingebungsvoll das erste Türchen geöffnet? Und der blankgeputze Stiefel bekam sein erstes Weihnachtslecker?
AntwortenLöschenIch halte mich lieber daran und kaufe kein Lecker, doch mein Mann hat auch zugegriffen. So macht es jeder wie er mag.
Liebe Wochenendgrüße
Angelika
Hallo Brigitta,
AntwortenLöschendann musst Du nach Rothenburg ob der Tauber zu "Käthe Wohlfahrt" fahren. Der Weihnachtsmarkt ist dort ganzjährig geöffnet. Ich habe nie begriffen, wieso meiner eigenen Familie so etwas mitten im Sommer oder sonstwie abseits des Weihnachtsfestes gefällt.
Gruß Dieter