Das war ja ein informatives Kaffeetrinken am gestrigen
Mittwoch. Da hat die Grete also einen untreuen Lover, den sie manchmal heimlich
trifft und einen längst vergangenen Rolf, der über allen steht, an dem sie
weiterhin hängt und über den sie nix erzählt.
Heimlichkeiten und Geheimnisse sind ja so ne Sache, findet
die Liese. Sie selbst hätte da ja keine Lust darauf. Also auf bewusste
Geheimnisse. Wenn ihr jemand was unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählen
will, dann stoppt sie denjenigen ganz schnell. Geheimnisträgerin möchte das
Lieschen nicht sein. Nicht von eigenen Geheimnissen und schon gar nicht von
denen anderer. Da ist sie komisch. Geheimnisse haben so eine ganz eigene Kraft.
Oft eine zerstörerische, meint sie.
Lieschen weiß gerne, wo sie dran ist. Und gönnt das im
günstigsten Fall auch anderen. Erstaunlich genug, dass wenige andere diese
Klarheit genauso schätzen wie sie.
Das heißt natürlich nicht, dass das Lieschen alles und jedem
erzählt. Besonders schöne Zeiten hat sie auf Reisen erlebt, auf denen die
Menschen, denen sie begegnete, nichts von ihr und ihrer Geschichte wussten. Dann
fühlte sie sich stets wie ein völlig unbeschriebenes Blatt auf dem lauter
komplett Neues Platz hätte. Das liebte sie und mag es auch heute noch sehr.
Ganz neue Erlebnisse, die JETZT beginnen und nicht folgerichtig aus Vergangenem
resultieren. Jungfräulich und neu. Das findet das Lieschen super. Sie käme nicht auf die Idee besonders lange an Altem
festzuhalten. Sie meint, das bindet sie zu sehr.
Im Alter von Mitte zwanzig hat
sie zum Beispiel alle Fotos, die sie besaß und die ihr bis dahin vergangenes
Leben repräsentierten in einer Nacht- und Nebelaktion einfach verbrannt. Jedes
einzelne hat sie in die Hand genommen, die Gefühle beobachtet, die die
Betrachtung in ihr auslösten, es angezündet und in die Feuerschale geworfen.
Die Aktion hat viel Zeit in Anspruch genommen, war wirklich anstrengend, aber im
Ergebnis sehr befreiend. Alle KinderJugendLoverEreignisfotos waren bald einfach weg und
mit ihnen verabschiedeten sich auch die meisten Anhaftungen. Geblieben sind ein
paar Erinnerungen, die die Liese aber selten einmal bewusst aufleben lässt. Im Normalfall kann es
sein, dass sie durch etwas Äußeres kurz erinnert wird, wie gestern von der
Grete und ihr z.B. diese „Verbrennungsgeschichte“ einfällt. Aber wenn sie
erzählt ist, wird sie sie wieder gehen lassen.
Weil das Befreiungsgefühl so schön war, hat das Lieschen in
der folgenden Nacht noch alle ihre Zeugnisse und Ausbildungsbescheinungen
verbrannt. Sie fand, dass sie auch beruflich frei sein sollte. Und ihr Leben
verlief bis jetzt tatsächlich so, dass sie für Jobsuchen und das Geldverdienen
niemals mehr nach den Bescheinigungen aus ihrer Vergangenheit gefragt worden
ist.
Das gemeinsame Kaffeetrinken von Grete und Lieschen musste
gestern ein bisschen früher als gewöhnlich enden. Das Lieschen hatte nämlich
noch eine Eintrittskarte für dendiedas(?) Prewiew des neuen Schweighöferfilms „Frau Ella“.
Grete mochte nicht mitkommen also ist das Lieschen alleine zum Kino gehetzt.
Besonders gelungen fand sie den Film nicht, aber so wie die Ereignisse im Leben
halt üblicherweise zusammen passen, ging es auch dort unter anderem um eine
nicht ausgelebte Liebe in jungen Jahren.
Die alte Frau Ella aus dem Film sagte
den Satz, den die Grete unbedingt hören muss, findet das Lieschen, ohne genau zu
wissen, wie der Rolf der Grete abhanden gekommen ist. „Im Alter bereut man nicht das
WAS man getan hat, sondern das was man NICHT getan hat.“
Lieschen hat für die
Grete gleich eine Eintrittskarte gekauft und ihr noch am gleichen Abend in den
Briefkasten geworfen. Sie findet, die Grete sollte mindestens die Szene sehen,
in der die Frau Ella am Grab von ihrem einst Geliebten stand und ihn dann endlich verabschiedete. Mag sein, dass es früher möglich gewesen wäre, mag sein, dass
nicht.
Und es kann sogar sein, dass der Grete der Film so richtig gut gefällt.
Es ging um ganz romantische Liebe. Und das ist ja tatsächlich eher was für die
Grete als für die Liese. Unser Lieschen ist ja auch auf diesem Gebiet ein
bisschen pragmatisch.
Grete und Lieschen als kostenloses E-Book - die ersten 50 Kapitel:
Geheimnisse - da bin ich derselben Meinung, aber manchmal trägt man sie, weil man sein Gegenüber lieb hat und trösten will. Ich kenne Menschen, die mir was anvertraut haben, aber eigentlich haben sie das bei ganz vielen Menschen getan, eine Enttäuschung die ich in mir trage.Es hätte auch in der Zeitung stehen können.Man lernt nie aus. Dieser Film, ich werde ihn mir nicht angucken... Schlaft alle gut Geli
AntwortenLöschenBrigitta, du Liebe,
AntwortenLöscheneigentlich mag ich Geheimnisse auch nicht. Sie belasten mich und machne mich unfrei. Deine beiden Aktionen halte ich für sehr mutig. aber Recht hast du. Warum alten Ballast rumschleppen? Weg damit.
Da ich kaum ins Kino gehe, were ich mir diesen Film auch nicht anschauen.
Einen schönen Abend wünscht Dir
Irmi
Im Alter das bereuen, was man NICHT getan hat? Das macht mich nachdenklich. So was taucht in Filmen auf oder in manchen Songs, wie ich erinnere.
AntwortenLöschenTauchen dann diese "Hätte ich doch besser" oder "Warum habe ich damals nicht?" auf? Das sind auch Altlasten. Ich denke, wenn es einen überkommt, muss man auch das loslassen. Man kann nicht alles richtig machen im Leben und man weiß ja auch nicht, was gewesen wäre, wenn man dies oder jenes getan hat.
Man betrachtet sein Soll und sein Haben und am besten ist es, wenn es sich die Waage hält.
Lieschens Einstellung und auch ihre Verbrennungsaktion finde ich bewundernswert. Da könnte man wirklich etwas lernen. Man schleppt allzu oft allzu viel mit sich und Vergangenes beeinflusst so Zukünftiges, ob man will oder nicht.
Ich selbst habe mich von vielem getrennt, nicht nur Materiellem.
Dennoch meine ich, dass wir Menschen letztlich die Summe all dessen sind, was uns begegnet, was unsere Erinnerung gespeichert hat, facettenreich...
Es darf aber kein Ballast sein. Man sollte jeden Tag mit leichtem Gepäck beginnen können oder besser, wie Lieschen sagt: wie ein unbeschriebenes Blatt. Es lässt einen offener sein.
Aber es ist zuweilen verdammt schwer.
Mein Fazit: Loslassen, ohne alles wegzuwerfen - das kann befreiend sein und Türen öffnen.
Ein toller Text, leicht, der dem Leser keinen Ballst aufbürdet, sondern öffnet. Schön...
Liebe Grüße
Enya
Liebes Lieschen Müller,
AntwortenLöschendas finde ich sehr bewundernswert, denn ich hänge schon an der Vergangenheit und an die schönen Erinnerungen daran, somit könnte ich diese Dinge nicht vernichten. Wenn es allerdings viele schlechte, oder nur schlechte Erinnerungen sind, ist das Wegwerfen vielleicht wirklich die einzige Möglichkeit sich davon zu befreien.
Herzliche Grüße
Kerstin